Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Goldſpecht: Verbreitung. Fortpflanzung. Feinde. Gefangenleben. 591

ſcheu oder naht ſih, wie wohl richtiger ſein dürfte, ihm ſo verſtohlen, daß man nicht leiht ein Neſt entde>t. Stört man das Paar an einem ſolchen, ſo umfliegen beide den Baum unter ſ{rillenden und kreiſchenden Lauten, die oft mit gurgelnden abwechſeln. Die Fungen, die Paine beobachtete, verließen das Neſt ſo langſam nacheinander, daß der jüngſte von ihnen ungefähr 14 Tage ſpäter ausflog als der erſte. Che einer dem Neſte entflog, erſchien er ſtets oben in der Höhle, deren ganzen Raum er ausfüllte, und verriet ſih durch lautes ziſchen: des Geſchrei, wenn jemand dem Niſtbaume nahte. Sobald er ſeine Flügel, wenn auh nur teilweiſe, gebrauchen konnte, kletterte und flatterte er in die Welt hinaus und wurde ſogleich von den Alten nah dem tieferen Walde geleitet, hier aber noh eine Zeitlang gefüttert und im Gewerbe unterrichtet. „Der Flug dieſes Spehtes““/ fährt Audubon fort, „iſt ſchnell und ausdauernd, im Vergleiche zu dem anderer der Familie knapp und kurzbogig. Wenn er von einem Baume zum anderen fliegt, durcheilt er eine gerade Linie, ſenkt ſih wenige Meter vor dem erwählten Baume nieder, hängt ſih unten an und klettert nun wie andere Spechte raſch empor. Läßt er ſi<, wie es oft geſchieht, auf einen Zweig nieder, ſo ſenkt ex ſeinen Kopf und ſtößt die wohlbekannten Laute „fli>er“ aus, jedo< nur dann, wenn er ſih vollkommen ſicher weiß. Er klettert vortrefflih in allen Stellungen, welhe Spechte annehmen können. Auf dem Boden, zu dem er öfters herabkommt, hüpft er mit großer Gewandtheit umher; doh geſchieht dies gewöhnlih nur, um eine Beere, eine Heuſchre>e oder einen Kern aufzunehmen, oder um die abgeſtorbenen Baumwurzeln nah Ameiſen und anderen kleinen Kerfen zu unterſuchen. Er liebt Früchte und Beeren mancher Art; namentlich ſcheinen ihm Äpfel, Birnen, Pfirſiche und verſchiedene Waldbeeren höchſt angenehm zu ſein. Ebenſowenig verſ<hmäht er das junge Getreide auf dem Felde; im Winter pflegt er die Kornfeimen zu beſuchen.

„Waſchbären und ſ{hwarze Schlangen ſind gefährliche Feinde des Goldſpechtes. Der erſtere ſte>t eine ſeiner Vorderhände in die Niſthöhle, und wenn ſie nicht allzu tief iſt, holt er die Eier gewiß herauf und ſaugt ſie aus; ja häufig genug nimmt er auch den brütenden Vogel ſelbſt in Beſchlag. Die ſhwarze Schlange begnügt ſi< mit den Eiern oder Jungen. Verſchiedene Falkenarten verfolgen unſeren Specht im Fluge; ihnen aber entrinnt er in den meiſten Fällen, indem er ſih der nächſten Höhlung zuwendet. Es iſt luſtig, das Erſtaunen eines Falken zu ſehen, wenn der gejagte Vogel, den ex eben zu ergreifen vermeinte, vor ſeinen Augen verſhwindet. Sollte der Specht einen derartigen Zufluchtsort nicht erreichen können, ſo hängt er ſich an einen Baum an und klettert in S<hraubenlinien mit ſolher Schnelligkeit cundum, daß er jenes Anſtrengungen gewöhnlich ebenfalls vereitelt. Das Fleiſh wird von vielen Jägern hoh geſhäßt und oft gegeſſen, namentlich in den mittleren Staaten. Dann und wann ſieht man den Goldſpecht auch auf den Märkten von New York und Philadelphia ausgeſtellt; i< meinesteils aber muß ſagen, daß das Fleiſch wegen ſeines Ameiſengeruches mir höchſt unangenehm war. Auch in der Gefangenſchaft verliert dieſer Vogel ſeine natürliche Lebendigkeit und Heiterkeit niht. Er geht leiht ans Futter, zerſtört aber auch aus lauter Vergnügen in einem Tage mehr, als zwei Handwerker in zwei Tagen herſtellen können. Jedenfalls darf niemand glauben, daß die Spechte ſo dumme, verlorene und vernachläſſigte Geſchöpfe ſind, wie man oft angenommen hat.“

Kein mir. bekannter Specht hält ſi< ſo leiht in Gefangenſchaft wie der Goldſpecht, der keineswegs ſelten au< in unſere Käfige gelangt. Er ſtellt durchaus niht beſondere Anſprüche an das Futter, jedenfalls niht mehr als ein anderer Kerbtierfreſſer; denn er begnügt ſi<h mit einfahem Droſſelfutter, falls es mit mehr Ameiſenpuppen gewürzt iſt, als es bei Droſſeln notwendig. Von mir gepflegte Goldſpechte zeichneten ſi< von Anfang an dur< zahmes und zutraulihes Weſen aus. Sie lernten ihren Wärter kennen, kamen bald auf ſeinen Ruf herbei und nahmen ihm dargereichte Nahrung, beſonders wenn ſie in noh