Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

592 Erſte Drdnung: Baumvögel; a<htundzwanzigſte Familie: Spechte,

lebenden Würmern beſtand, aus der Hand. Für den Vogelkundigen iſt ein von ihnen bewohnter Käſig ein höchſt anziehender Gegenſtand. Man tann hier in aller Muße die ſo auffallenden Bewegungen der Spechte überhaupt beobachten; man kann ſehen, wie ſie raſh und geſchi>t an den Baumſtämmen innerhalb des Käfiges emporklettern, wie kräftig ſie ſich in die Rinde einhaken, wie ſicher ſie ſih zu befeſtigen wiſſen, wie umfaſſend ſie ihren Schnabel zu gebrauchen verſtehen; man kann ſelbſt ihren Flug ſtudieren: denn gar nicht ſelten machen ſie wenigſtens Verſuche, ſih in dieſer Weiſe zu bewegen. An meinen Pfleglingen habe i< beobachtet, daß ſie au<h im Schlafe ihre liebſte Stellung annehmen. Daß die Spechte Baumhöhlungen zu ihrer Nachtherberge wählen, war mix durc die Beobachtung unſerer deutſchen Arten bekannt geworden; nichtsdeſtoweniger überraſchte es mich, zu ſehen, daß ſie niht nach. anderer Vögel Art ſich einfa<h auf den Boden der Höhle niederſeßten, ſondern, wie bereits bemerkt, an deren Wandungen in der Kletterſtellung ſih aufhängen. Jc ſah daraus, daß ihnen dieſe Stellung leichter wird als jede andere. Das Überraſchendſte, das ih erfahren konnte, wax, meine Goldſpechte zur Fortpflanzung ſchreiten zu ſehen. Sie haben mir dadur< bewieſen, daß ſie ſih in der Gefangenſchaft ſo wohl befanden, wie ſich ein ſeiner Freiheit beraubter Vogel überhaupt befinden kann. Der beginnende Frühling verfehlte auch auf ſie ſeine Wirkung niht. Das Männchen gab ſeinen Fubel dur< jauchzendes Auf: ſchreien und wiederholtes Trommeln kund. Es lo>te in der von Audubon beſchriebenen Weiſe, liebkoſte das Weibchen wiederholt und trieb mit ihm überhaupt alle Spiele, wie ſie der Paarung vorauszugehen pflegen. Eines Morgens fand der Wärter ein Ei am Boden, wenige Tage darauf ein zweites. Meine Hoffnung, möglicherweiſe Junge zu erzielen, ging aber leider niht in Erfüllung. Das Weibchen begann zu kränkeln und lag eines Morgens tot im Käfige. Es war anſcheinend an Erſchöpfung infolge allzu ſ{hneller Entwi>elung der Eier zu Grunde gegangen. Wahrhaft rührend war es, zu beobachten, wie traurig das Männchen ſi fortan gebärdete. Tagelang, ohne Unterbrehung faſt, rief es nah dem Weibcen, trommelte im Übermaße ſeiner Sehnſucht wie früher in der Fubelluſt ſeiner Liebe und hatte nicht einmal in den Nachtſtunden Ruhe. Später milderte ſih ſein Kummer, und zuleßt vernahm ich keine klagenden Laute mehr. Seine frühere Heiterkeit erlangte es jedoch nicht wieder. Als ihm die Gefährten geſtorben waren, wurde es ſehr ſhweigſam.

Später habe ih andere Goldſpehte gepflegt und in verſchiedenen Tiergärten geſehen; kein einziger aber hat ſi<h gepaart und zum Niſten entſchloſſen.

Fn den ſüdlihen und weſtlihen Staaten Nordamerikas tritt zu dem Goldſpechte ein ihm ſehr ähnlicher Verwandter, der Kupferſpecht (Colaptes mexicanus, Picus rubricatus und lathami). Er ähnelt dem Goldſpechte in Größe und Färbung wie in Anordnung der Zeihnung; doh ſind bei ihm alle Farben dunkler und die Schäſte der Flügelfedern nicht goldgelb, ſondern orangerot. Stirn und der Oberkopf ſind fahl rötlih-graubraun, die übrigen Oberteile, mit Ausnahme des weißen Unterrü>kens, auf graubraunem Grunde ſ<hwarxz quer gewellt die Schwanzfedern graubraun, ihre Schäfte orangerot, Kinn, Kehle und Unterhals hell rötlihgrau, Bruſt und Bauch auf rötlich: weißgrauem Grunde mit runden ſ<hwarzen Perlfle>en gezeichnet. Den Hinterkopf <hmüd>t der zinnoberrote Kragen, die Oberbruſt das ſhwarze Querband; der zinnoberrote Bartſtreifen iſt ebenfalls vorhanden. Das Vexrbreitungsgebiet des Kupferſpechtes grenzt unmittelbar an den Wohnkreis ſeines Verwandten, des Goldſpe<htes, und nimmt den ganzen Weſten der Vereinigten Staaten von dem Felſengebirge bis zum Stillen Weltmeere und von der de Fucaſtraße bis zum ſüdlichen Mexiko ein. Da, wo beider Gebiete zuſammenſtoßen, wohnen Gold- und Kupferſpecht dicht nebeneinander. „Der Beobachter“ ſagt der Prinz von Wied, „iſt befremdet, wenn er kurz zuvor den gemeinen Goldſpecht geſchoſſen hat, plößlich einen ſehr ähnlihen Vogel zu ſehen,

e