Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

86 Erſte Ordnung: Baumvögel; zweiundvierzigſte Familie: Ku>u>e.

war dies geſchehen, ſo erſchien, ebenfalls von Oſten her, ein drittes Männchen und bot \ſi<, indem es das zweite Männchen verjagte, dem Weibchen als Gatten an, worauf leßteres ſofort kichernd einging.“ Dieſe, dur einen in jeder Beziehung verläßlichen, erfahrenen Beobachter feſtgeſtellte Thatſache bedarf ſiherli< keines Zuſages!

Erſcheint das Weibchen ſpät abends auf dem Schlafplaße eines Männchens, ſo verſeßt es, da es wohl nie verſäumt, ſi zu melden, den Gauch auch jeßt no< in Liebesrauſch. Für heute aber verbleibt es beiderſeitig beim Wünſchen und Begehren. Weder der Ku>u> no< das Weibchen verlaſſen nah Beginn der Dämmerung den gewählten Ruheſiß, ebenſowenig als ſie ‘morgens vor eingetretener Helle umherfliegen. Auf geſchehene Meldung der Buhlin antwortet er in üblicher Weiſe, ſie wiederum in der ihrigen, und ſo währt das Rufen und Kichern fort, bis der Ziegenmelker zu ſpinnen beginnt, manhmal no länger. Dann endlih wird es ſtill: beide haben ſi<h wohl verſtändigt — für morgen.

Wer bezweifelt, daß der Gauch in Vielehigkeit lebe, braucht bloß ſolhe Sthlafpläße wiederholt zu beſuchen. Heute vernimmt man die Stimme des Weibchens, die heiße Werbung des Männchens, morgen nur noh den Ruf des letzteren: jenes beglü>t dann vielleiht den Nachbar, vielleiht einen ganz anderen Werber. Deshalb gerade iſt es ſo ſhwierig, ein flares Bild des tollen Liebeslebens unſeres Kuäu>s zu gewinnen. J<h habe ihn während eines Menſchenalters beobachtet, eine Wahrnehmung an die andere gefügt, ihn viele hundertmal herbeigerufen, mi<h halbe Wochen lang ſo gut wie aus\<hließli< mit ihm beſchäftigt und doh nur einen Teil ſeines Lebens zu erforſchen vermocht.

Schon den Alten war bekannt, daß der Ku>u> ſeine Eier in fremde Neſter legt. „Das Bebrüten des Ku>ku>seies und das Aufziehen des aus ihm hervorkommenden Fungen“, ſagt Ariſtoteles, „wird von demjenigen Vogel beſorgt, in deſſen Neſt das Ei gelegt wurde. Der Pflegevater wirſt ſogar, wie man ſagt, ſeine eignen Jungen aus dem Neſte und läßt ſie verhungern, während der junge Ku>u> heranwächſt. Andere erzählen, daß er ſeine Jungen töte, um den Ku>ku> damit zu füttern; denn dieſer ſei in der Jugend ſo ſchön, daß ſeine Stiefmutter ihre eignen Jungen deshalb verahte. Das meiſte von dem hier Erwähnten wollen Augenzeugen geſehen haben; nur in der Angabe, wie die Fungen des brütenden Vogels umkommen, ſtimmen nicht alle überein: denn die einen ſagen, der alte Kucku> kehre zurü> und freſſe die Jungen des gaſtfreundlichen Vogels, die anderen behaupten, weil der junge Ku>u> ſeine Stiefgeſhwiſter an Größe übertreffe, ſo ſhnappe er ihnen alles weg, und ſie müßten deshalb Hungers ſterben; andere wieder meinen, er, als der Stärkere, freſſe ſie auf. Der Ku>ku> thut gewiß gut daran, daß er ſeine Kinder ſo unterbringt; denn er iſt ſi<h bewußt, wie feige er iſt, und daß er ſie doh niht verteidigen kann. So feig iſt er, daß alle kleinen Vögel ſi<h ein Vergnügen daraus machen, ihn zu zwi>en und zu jagen.“ Wir werden ſehen, daß an dieſer Schilderung ſehr viel Wahres iſt, dürfen aber zunächſt eingeſtehen, daß wir auh gegenwärtig no<h keineswegs vollkommen unterrichtet ſind. ;

Das Thatſächliche, d. h. dur< Beobachtung Feſtgeſtellte hinſihtlih des Fortpflanzungsgeſchäftes unſeres Vogels iſt Folgendes: Der Ku>u> übergibt ſeine Eier einer großen Anzahl verſchiedenartiger Singvögel zum Ausbrüten. Schon gegenwärtig kennen wir ungefähr 70 Arten von Pflegeeltern; es unterliegt aber keinem Zweifel, daß ſich dieſe Kunde bei genauerer Durchforſchung des geſamten Verbreitungsgebietes dieſes merkwürdigen Vogels noh weſentlih erweitern wird. Soweit mir bekannt, hat man bis jeßt, abgeſehen von aſiatiſchen Zieheltern, Kucku>kseier gefunden in den Neſtern des Gimpels, Edel- und Bergſinken, Hänflings, Leinzeiſigs, Grünlings, Sperlings, der Grau-, Gold-, Nohr- und Weidenammer, des Flüevogels, der Hauben-, Heide- und Feldlerche, der Elſter, des Hähers Dorndrehers und Notkopfwürgers, der Nachtigall, des Blau- und Rotkehlhens, des Haus- und