Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

90 Erſte Drdnung: Baumvögel; zweiundvierzigſte Familie: Ku>u>e.

Neſtes, vorausgeſeßt, daß er ſih darin überhaupt drehen kann. Geht dies niht ſo entfernt er die Eier mit dem Schnabel, ebenſo wie andere Vögel das nicht ins Neſt gehörige mit dem Schnabel herausnehmen würden. Nun zerbrechen die Eier der kleinen Vögel ſehr leiht, und wenn dies dem Kucku> ſchon mit ſeinen eignen Eiern beim Hineintragen ins Neſt geſchieht, ſo kommt dies noch leichter mit den zerbre<lihen, fremden Eiern vor, die er ja überdies niht zu ſchonen hat. Zerbrihht ihm ein Ei, und kommt der Fnhalt ihm in den Schnabel, ſo ſ{<lu>t er es au< wohl hinunter.“ Walter gibt nun eine Reihe von Belegen für ſeine Anſicht. Wie andere auh, hat er mehrfa<h bei Neſtern, die ein Ku>u>8sei enthielten und ſih dur< loſen und tiefen Unterbau auszeihneten, ein Ei des brütenden Vogels in den Boden des Neſtes gedrü>t gefunden, das Sihumwenden und Drehen des Ku>u>s wenigſtens einmal beobachtet und ebenſo geſehen, daß lebterer ſein eignes Ei beim Aufnehmen mit dem Schnabel zerbra<h. Päßler und andere dagegen verſichern, geſehen zu haben, daß das Ku>kuck8weibchen jeden Tag ein Ei der Pflegeeltern aus dem Neſte wirft und ſpäter au< no< die dem Eie entſ<hlüpften Neſtjungen wegträgt. Hierauf erwidert Walter ſehr richtig, daß keine Neſtjungen vorhanden ſein oder ausgebrütet, alſo au< niht weggetragen werden können, na<hdem das Ku>ku>sweibchen regelmäßig Tag für Tag das Neſt beſucht und die Eier entfernt hat, ſowie ferner, daß, wenn der Ku>u> wiederholt zum Neſte zurü>kehrt, um Eier zu ſtehlen, deren Anzahl abnehmen muß, was jedo<, wie die Erfahrung lehrt, keineswegs der Fall iſt. „Noch nie“, ſagt er, „habe ih bei ſpäteren Beſuchen des Neſtes, das ein Ku>u>sei enthielt, eine Abnahme der Neſteier bemerkt, oft aber eine Zunahme. Für gewöhnlih legen die Vögel nicht die volle Zahl der Eier, wenn der Kucku> ſein Ei zuerſt ins Neſt gebracht hat, weil dieſes ohnehin das leßtere zu ſehr ausfüllt. F< habe aber doch jedes Jahr ein oder zwei volle Gelege gefunden. Jn der Regel legen ſie nah dem Ku>ku>sei/ d. h. für den Fall, daß der Ku>u> noch keine Neſteier vorfand, drei Eier hinzu und brüten dann.“ Auch Baldamus, dem meine Schilderung des Ku>u>s zur Prüfung vorgelegen hat, iſt der Anſiht Walters, daß das Weibchen unſeres _Schmarogzers niht täglich ein Ei des Pflegers aus dem Neſte entferne, dies mindeſtens niht abſichtlih thue; wohl aber, meint er, mag es infolge der ſteten Beunruhigung dur< die Neſteigentümer geſchehen, daß ein oder einige Eier der leßteren verleßt und dann doh von dem Ku>u>sweib<hen aus dem Neſte geworfen werden. Bliebe ein zerbrochenes Ei im Neſte zurü>, ſo würde dies jedenfalls verlaſſen werden.

Bekundet ſi< nun ſchon hierein eine gewiſſe Fürſorge des Ku>Eu>8weibchens ſeiner Nachfommenſchaft gegenüber, ſo wird ſolche dur beſtimmte Beobachtungen von Baldamus geradezu bewieſen. Wie dieſer Naturforſcher bereits in ſeinen „Vogelmärchen“, einem überaus anmutenden Büchlein, erzählt hat, ſind es namentlih zwei neuerdings gewonnene Beobachtungen, auf welche er ſich dabei beruft. Gegen Ende Juni, abends 6 Uhr, befand ſi Baldamus in der Nähe von Halle am linken Ufer der Saale, als er, durch eine alte. Kopfweide gede>t, vom re<hten Ufer her, dicht über dem Waſſer dahinfliegend, einen Ku>u> nah dem dort ſteileren Lehmufer ſtreichen und hier ſih niederlaſſen ſah. Baldamus merkte genau die Stelle, {li< ſi< hinter dem Uſergebüſch heran, beugte ſih vorſichtig über und ſah nun den Ku>u> mit geſträubtem Gefieder und geſchloſſenen Augen offenbar in ſchweren Wehen dicht vor ihm auf einem Neſte ſien. Nach einigen Minuten glättete ſi{h das Gefieder, der Vogel öffnete ſeine Augen, erbli>te unmittelbar über ſih ein Paar andere, erhob ſi, ſtrih nach dem jenſeitigen Ufer zurü> und verſ<hwand im Ufergebüſche. Fn dem fertiggebauten Bachſtelzenneſte aber lag das noh ganz warme, durchſichtige, dem der Neſteigentümer täuſchend ähnlihe Kuckucksei. Nach kurzem Überlegen, ob das Ei zu behalten oder die äußerſt günſtige Gelegenheit zu weiteren Beobachtungen wahrzunehmen ſei, ſiegte die leßtere Erwägung. Baldamus legte das ſchöne Ei ins Neſt zurü>, verbarg ſich ſo, daß er lebteres im