Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

96 Erſte Ordnung: Baumvögel; zweiundvierzigſte Familie: Ku>u>e.

ausgeſezt. Füchſe, Kaßen, Marder, Wieſel, Mäuſe, Naben, Häher und andere Neſtplünderer entde>en den großen Geſellen noch leichter als die re<htmäßige Brut eines ſolchen Neſtes und nehmen ihn als gute Beute mit. Auch der Menſch geſellt ſi< hier und da aus Unkenntnis und Wahn zu den genannten Feinden. Nach der Auffaſſung des Volkes verwandelt ſi< der Kucku> im Winter in einen Sperber, und ſolchen zu vertilgen erſcheint eher als Verdienſt denn als Vergehen. Erſt wenn der Gauch glüctli<h dem Neſte entronnen und ſelbſtändig geworden iſt, führt er ein ziemlih geſichertes Daſein. Vor dem Menſchen nimmt er ſih jezt in der Regel wohl in acht, und dem, der ſeine Stimme nicht genau nachzuahmen verſteht, wird es ſ<hwer, einen Ku>ku> zu berü>en. Noch ſchwieriger iſt es, einen erwachſenen Ku>ku> lebend in ſeine Gewalt zu bekommen. Mir iſt keine einzige Fangart bekannt, die ſicher zum Ziele führt. Gleichwohl muß es ſolche geben; denn in Griechenland, woſelbſt man den Ku>u> verſpeiſt und als Le>erbiſſen betrachtet, bringt man gegen Ende Juli fette Vögel auf den Markt, die wahrſcheinlih do< gefangen wurden.

Jh thue recht, wenn ih den Ku>u> der allgemeinſten Shonung empfehle. Er darf dem Walde nicht fehlen, denn er trägt nicht bloß zu deſſen Belebung, ſondern auch zu deſſen Erhaltung bei. Das Gefühl will uns glauben machen, daß der Frühling erſt mit dem Kuckucksrufe im Walde einzieht; der Verſtand ſagt uns, daß dieſer klangvolle Ruf noh eine ganz andere, wichtigere Bedeutung hat. „Welches Menſchenherz, wenn es niht in ſ<hmähliſter Selbſtſucht verſhrumpft iſt“, ſagt E. von Homeyer, „fühlt ſich niht gehoben, wenn der erſte Ruf des Kucku>s im Frühlinge ertönt? Jung und alt, arm und reih lauſchen mit gleichem Wohlbehagen ſeiner klangvollen Stimme. Könnte man dem Ku>u> auh nur nachſagen, der re<hte Verkündiger des Frühlings zu ſein, ſo wäre er dadur<h allein des menſchlichen Shußes würdig. Er iſt aber noc der weſentlichſte Vertilger vieler ſchädlichen Kerbtiere, die außer ihm keine oder wenige Feinde haben.“

Der Ku>u>sruf bezeichnet den Einzug eines der treueſten unſerer Waldhüter. Kerbtiere aller Art und nux ausnahmsweiſe Beeren bilden die Nahrung des Vogels; er vertilgt auch ſolche, welche gegen andere Feinde gewappnet ſind: haarige Raupen. Glatte und mittelgroße Raupen zieht er, nah Liebes Beobachtungen, den behaarten und großen allerdings vor; bei ſeiner unerſättlichen Freßluſt kommt ex aber ſelten dazu, ſehr wähleriſch zu ſein. „Er verzehrt daher langhaariges Ungeziefer in der Regel ohne Zaudern, verwendet aber auf die jedesmalige Zubereitung des Biſſens viele Mühe und Zeit. Wie verſchiedene andere Kerbtierfreſſer, läßt er die Raupen unter fortwährendem Beißen ſehr geſchi>t vorwärts Und rü>wärts quer dur< den Schnabel laufen, um den Biſſen bequemer ſ{<lu>en zu können. Größere Raupen ſ\{leudert er in ſo eigentümlicher Art, daß man die Bewegung dabei auf den erſten Bli> hin ſteif und unbeholfen nennen möchte. Dieſe Art iſt aber durhaus zwe: mäßig. Er ſtre>t den Kopf wagereht weit vor, faßt die Raupe am Ende und ſchlägt ſie niht etwa gegen den Boden oder den Aſt, auf welchem er ſißt, ſondern führt Lufthiebe mit ihr, indem er mit dem Schnabel eine Linie beſchreibt, die gengu der entſpriht, welche die Hand beim Rechts- und Linksklatſchen mit der Peitſche beſchreibt. Damit bezwe>t ev nicht allein vollſtändige Stre>ung und Tötung der Raupe, ſondern auch Beſeitigung des wäſſerigen Jnhaltes. Bei dem gefangenen Ku>u> verleidet einem dieſe Vornahme das allzu nahe Beobachten; denn der Vogel ſ{leudert einem die Flüſſigkeit auf Geſicht und Klei: der. Sich ſelbſt aber beſ<hmußt er damit niht im geringſten, da er den Kopf zu geſchi>t hält und bewegt. Wohl 10—15mal läßt er die Raupe dur<h den Schnabel gleiten und ſchlägt mit ihr ſolche Lufthiebe, bevor er ſie verſchlingt.“ Troß dieſer ſorgfältigen und zeitraubenden Zubereitung frißt er verhältnismäßig viel und wird dadurch ſehr nüßlih. Daß es gerade unter den behaarten Raupen abſcheuli<he Waldverderber gibt, iſt bekannt genug, daß ſie ſih oft in ſ{<limmer Weiſe vermehren, ebenfalls. FJhnen gegenüber leiſtet der