Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Straußku>u>: Weſen. Flug. Stimme, Fortpflanzung. 113

Am 2. März 1852 verfolgte ih in einem Garten bei Theben in Oberägypten längere Zeit einen Straußku>u>. Er ne>te mi<h in beliebter Weiſe und zog mi<h wohl eine halbe Stunde lang hinter ſih her. Zuleßt ſah ih ihn in ein großes Neſt ſ{<lüpfen, das auf einem nicht beſonders hohen Baume ſtand. Es verſteht ſih von ſelbſt, daß ih von jeßt an niht daran dachte, den Vogel zu ſtören. Nach mehr als einer Viertelſtunde flog er wieder von dem Neſte ab und entfernte ſih ſofort aus der Umgebung. Jh erſtieg den Baum und fand, daß das Neſt der Nebelkrähe angehörte, im ganzen ſe<hs Eier enthielt, darunter aber eins, das erſt vor wenigen Minuten zertrümmert worden war. Unter dieſen Eiern unterſchied ih auf den erſten Bli> zwei kleinere, den Kräheneiern an Größe und Farbe zwar naheſtehende, aber do<h mit ihnen nie zu verwe<hſelnde Eier eines anderen Vogels. Sie wurden ausgehoben, mit einer gewiſſen Ängſtlichkeit der Barke zugetragen und dort mit den ſorgfältig aufbewahrten Trümmern des erſten Ku>ku>SZeies verglichen. Zu meiner großen Freude fand ich, daß ſie mit ihm vollkommen übereinſtimmten. Fn der Größe glichen ſie ungefähr den Elſtereiern, in der Form aber anderen Kucku>seiern. „Fhre Farbe iſt“, wie Baedeker beſchreibt „ein lihtes Bläulihhgrün, ihre Zeichnung aſhgrau und bräunlihgrau in dit geſtellten Fle>en, die ſi<h am ſtumpfen Ende zu einem mehr oder weniger geſchloſſenen Kranze vereinigen. Auf dieſer Grundzeichnung ſtehen no< einige dunkelbraune Punkte. Mit Krähen- und Elſtereiern ſind ſie kaum zu vergleichen, viel weniger zu verwe<ſeln; denn ihre Form, die Körnung der Schhalenoberfläche, ihre Fle>enzeihnung, ſelbſt die grünliche Grundfärbung fallen aufs erſte Anſehen und Berühren ganz anders ins Auge und ins Gefühl.“

Meine Entde>ung wäre nun ſchon hinreichend geweſen, um die Art und Weiſe der Fortpflanzung der Ku>ucke zu beſtimmen; ih gewann aber glülicherweiſe am 12. März noch eine zweite Beobachtung, die der erſteren noh bedeutenderes Gewicht verlieh. Fn einem Dorfgarten, der, wie in Ägypten überhaupt üblich, dicht mit Bäumen bepflanzt war, wurde ih dur< das helltönende, mißlautende Geſchrei des alten Ku>ucs, kiekkiek kiek kiek“ zur Jagd aufgefordert. Jh erlegte beide Eltern, bemerkte aber bald darauf noh einen Straußfu>u> und zwar einen noh nicht vollſtändig entwi>elten Jungen, der von zwei Nebelkrähen gefüttert und verteidigt wurde. Von nun an ließ ih alle Krähenneſter unterſuchen und war wirtlih jo glü>li<, in einem am 19. März no<h ein Ku>u>sei zu finden.

Jn Spanien erhielt ih ſpäter eine weitere Beſtätigung des Beobachteten. Bald nach meiner Ankunft in Madrid war ih ſelbſtverſtändlich mit allen Tierkundigen der Hauptſtadt bekannt geworden, und in ihren Kreiſen wurde gelegentlih über dieſes und jenes Tier geſprochen. Da fragte mich eines Tages ein recht eifriger Sammler, ob ih wohl auh den Straußku>u> kenne. Jh mußte bejahen. „Aber wiſſen Sie auh etwas über das Brutgeſchäft dieſes Vogels?“ Fh bejahte abermals. Señor, das iſt unmöglih; denn ich bin der erſte, der hierüber etwas erfahren hat. Was wiſſen Sie?“ J< war hinlänglich mit der Vogelwelt Spaniens vertraut, als daß ih niht mit größter Wahrſcheinlichkeit die Zieheltern der Straußkuckude hätte angeben können. Die Saatkrähe kommt bloß auf dem Zuge in Mittelſpanien vor, und Raben- wie Nebelkrähe fehlen gänzlih. Es blieb, wenn ih von dem in Ägypten Beobachteten folgern wollte, nux unſere Elſter als wahrſcheinliche Erzieherin no< übrig, und i<h nahm keinen Anſtand, ſie mit einer gewiſſen Beſtimmtheit als die Pflegemutter der jungen Straußku>ucke zu nennen. „Sie haben re<t“, antwortete mein Freund, „aber woher wiſſen Sie das?“ Nun teilte ih ihm meine Beobachtungen mit, und er gab mir dafür einen furzen Bericht von ſeiner Entde>ung. Aufmerkſam gemacht durch etwas verſchiedene, namentli<h kleinere Eier im- Neſte der Elſter, hatte ex ſi< mit guten Jägern in Verbindung geſeßt und von dieſen erfahren, daß der Ku>u> die betreffenden Eier in das Elſterneſt lege. Die Sache ſchien ihm denn doh etwas unglaublich zu ſein,

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. V. 8