Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2
8 Erſte Ordnung: Baumvögel; fünfunddreißigſte Familie: Nag eſ<hnäblerx,
und Owens Forſchungen über die Lebensweiſe unterrichtet worden. „Der Vogel“ ſagt erſterer, „wählt zu ſeinen Aufenthaltsorten einen Gürtel von ungefähr 2000 m Höhe. Hier ſcheint er in allen Waldungen vorzukommen, wenn auch nur in denen, die aus den höchſten Bäumen beſtehen. Die niederen Zweige der leßteren, d. h. diejenigen, welche ſih ungefähr im zweiten Dritteil der Baumhöhe befinden, dienen ihm zur bevorzugten Warte. Hier ſieht man ihn faſt bewegungslos ſien; denn er dreht höchſtens den Kopf langſam von einer Seite zur anderen oder breitet und {ließt abwechſelnd den faſt ſenkrecht herabhängenden Schwanz, erhebt ihn au< wohl und bringt dann die lang überhängenden Defedern in ſanfte Bewegung. Sein Auge erſpäht eine reife Frucht: er erhebt ſi< von ſeinem Zweige, erhält ſi einen Augenbli> rüttelnd, pflü>t eine Beere und kehrt zu demſelben Zweige zurü>. Ein derartiger Ausflug wird mit einer Zierlichkeit ausgeführt, die jeder Beſchreibung ſpottet. Jh habe oft gehört, daß Leute, die ausgeſtopfte Kolibris ſahen, begeiſtert ausriefen: „Wie pra<htvoll müſſen dieſe kleinen Geſchöpfe erſcheinen, wenn ſie fliegen“. Aber dies iſt niht der Fall. Man denke ſi den Kolibri in einer Entfernung von 20 m, und man ſieht von ſeinen Farben ni<hts, es ſei denn, daß man ſi in der allervorteilhafteſten Lage befinde. Anders iſt es mit dem Queſal. Seine Pracht bleibt dieſelbe, welche Stellung er auch annehmen möge, und er feſſelt dur< ſie ſofort das Auge. Kein anderer Vogel der Neuen Welt erreiht ihn, kein anderer der Alten Welt übertrifft ihn. Dies waren meine Gedanken, als ih den erſten [lebenden vor mir ſah. Der Flug iſt raſh und wird in gerader Richtung ausgeführt; die langen Schwanzde>federn, die ihm durchaus niht im Wege zu ſein ſcheinen, ſtrömen hinter ihm drein. Die Laute, die er ausſtößt, ſind verſchieden. Seine Lo>ſtimme iſt ein doppelter Laut, den Silben ,wiu wiu‘ ungefähr vergleihbar. Der Vogel beginnt mit einem ſanften Pfeifen und verſtärkt dieſes nah und nah zu einem lauten, aber niht klangloſen Schrei. Oft dehnt er dieſen Laut, beginnt ihn leiſe, verſtärkt ihn und läßt ihn dann allgema wieder verſtummen. Beide Töne können leicht nahgeahmt werden. Andere Schreie ſind rauh und mißtönend, und ſie laſſen ſi<h nur mit Hilfe von Blättern wiedergeben. Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Früchten; doh findet man gelegentlih au< eine Heuſ<hre>e in ſeinem Magen.“ Über das Brutgeſchäft teilt Owen einiges mit. „Gelegentlih eines Jagdausfluges nach dem Berge von Santa Cruz erzählte mir einer meiner Jäger, daß er- ungefähr eine eile von Chilasco ein Queſalneſt geſehen, und erbot ſich, das Weibchen zu erlegen und mir das Ei zu bringen, falls i< ihm jemand zur Hilfe geben wollte. Jh ging ſelbſtverſtändlith darauf ein, und der Mann kehrte mit dem Weibchen und zwei Eiern zurü>. Er berichtete, daß das Neſt in der Höhle eines abgeſtorbenen Baumes ungefähr 8 m über dem Boden geſtanden habe. Zur Höhle führte ein Eingangsloch, eben groß genug, um das Einſchlüpfen zu ermöglichen; ihr Jnneres war kaum ſo geräumig, daß ſih der Vogel umdrehen konnte. Außer einer Lage von Mulm fand ſich kein eigentliches Neſt vor. Andere Bergbewohner erzählten, daß der Queſal ſih gern mit verlaſſenen Spechthöhlen behelfe.“ — „Jh denke“, fügt Salvin Vorſtehendem hinzu, „daß dieſe Angabe für die Neſtkunde des Vogels genügend iſt. Meiner Meinung nach hilft der männliche Vogel niht mit brüten ſondern überläßt dieſe Pflicht ausſ<hließlih dem Weibchen. Der Urſprung der Erzählung, daß das Neſt des Queſals nur in einer durhgehenden Baumhöhle angelegt werde, gründet ſi unzweifelhaft auf die Unmöglichkeit ein anderes Neſt, das die langen Schwanzfedern des Männchens nicht gefährdet, ſich zu denken. So mußte man ſich einbilden, daß der Vogel eine Baumhöhle erwähle, zu deren einem Eingange er einſhlüpfe und dur< deren anderen Zugang er ſie wieder verlaſſe. Daß dieſe Erzählung in Guatemala entſtanden iſt, unterliegt für mich keinem Zweifel. Ein derartiges Neſt iſt mir oft beſhrieben worden, aber niemals von einem, der es ſelbſt geſehen.“