Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Baumhopf: Allgemeines. Verbreitung. Gebaren, Fortpflanzung. 35

Auf baumfreien Ebenen ſieht man ihn nie; denn auf dem Boden matt er ſih nur ſelten zu ſchaffen. Shreiend und lärmend huſcht und fliegt und klettert eine Geſellſchaft dieſes ſhönen Vogels, die ſelten aus weniger als 4, ſelten aus mehr als 10 Stü beſteht, dur<h den Wald. Speke freilich ſpriht von Flügen, die aus 15—20 Stü> kleſtanden. Der Flug hält ſtets aufs innigſte zuſammen. Was der eine beginnt, thun die anderen nah. Beim Wegfliegen ſchreit die ganze Geſellſchaft wirr durcheinander, ſo daß man die einzelnen Laute nicht mehr unterſcheiden kann. Levaillant verſucht die Kehltöne, die mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit hervorgeſtoßen werden, dur<h „gra ga ga ga ga“ wiederzugeben.

Solange die Geſellſchaft ungeſtört iſt, fliegt ſie von einem Baume oder von einem Buſche zum anderen. Einer hängt ſi< unten an der rauhen Borke eines Stammes feſt und klettert nah aufwärts, einer nah dem anderen folgt, und ſo hängt bald der ganze * Flug an demſelben Stamme. An ſchief ſtehenden Stämmen klettert der Baumhopf, wenn auch niht mit der Gewandtheit eines Spehtes, ſo doh mit der Müheloſigkeit vieler Steigvögel empor, an ſenkrechten hält er ſi<h wenigſtens zeitweilig an der Borke feſt und unterſucht nun, den feinen, zierlihen Schnabel in jede Rige ſte>Œend, die tief gelegenen Schlupfwinkel der Kerbtiere. Der Schwanz wird niht als Kletterwerkzeug gebraucht, aber doch infolge des Anſtreifens bald ſehr abgenußt; daher ſehen auch die Fahnen der Federn ſelten glatt aus. Dem Wiedehopfe ähnelt unſer Vogel darin, daß er häufig ſtinkende Käfer aufnimmt, dem Spechte deshalb, weil ex die Ameiſenarten beſonders berückſichtigt. Gurney fand, daß er namentli<h Wanzen frißt; Monteiro gibt Raupen und kleine Käfer als Nahrung an; i< habe beobachtet daß er ſih zeitweilig faſt ausſ<hließli<h von Ameiſen, und namentli< von den fliegenden, ernährt. Von ſeinem Futter nimmt ex einen höchſt unangenehmen Geruch an; dieſer iſt aber, je nah der zeitweiligen Nahrung, ein verſchiedener. Gewöhnlich ſtinkt er nah Ameiſen, gar niht ſelten aber auh, wie der Wiedehopf, na< Dünger und zuweilen ganz abſcheuli<h na<h Moſchus. Die Bewegungen ſind verhältnismäßig geſchi>t. Troß der kurzen Beine läuft der Vogel gar nicht ſo ſ{<hle<t, wie man woht vermuten ſollte, und im Klettern leiſtet er für ſeine Ausrüſtung Erkle>liches. Der Flug beſteht aus einigen raſchen Flügelſhlägen und darauffolgendem Gleiten; nicht ſelten werden au<h Bogenſhwingungen ausgeführt.

Wenige andere Vögel habe i< kennen gelernt, die ſo treuinnig zuſammenhalten wie die Baumhopfe. Der Jäger, der es geſchi>t anfängt, kann eine ganze Geſellſchaft nacheinander niederſchießen. Sobald einmal der erſte gefallen, fliegen alle Mitglieder des Trupps herbei, ſeßen oder hängen ſih auf Äſte odcr Stämme der nahe ſtehenden Bäume über dem verendeten auf, ſchreien fläglih, ſchlagen mit den Flügeln und {hauen entſeßt auf ihn hinab. Ein zweiter Shuß und deſſen Wirkung macht ſie niht etwa ängſtlich oder ſcheu, ſondern nur noh beharrlicher in ihrer Totenklage. Höchſtens teilt ſi<h dann dex Trupp, und während die einen bei der erſten Leiche. verharren, umſhwärmen die übrigen die zweite. So mögen ſi ihre Reihen lichten, wie ſie wollen, auch der lezte noh hält bei den getöteten Gefährten aus.

Hinſichtlih des Brutgeſchäftes berihtet Levaillant, daß das Weibchen in einem Baumloche auf dem Mulme 6—8 bläulichgrüne Eier legt, ſie abwechſelnd mit dem Männ<en bebrütet und zu demſelben Lohe no< längere Zeit mit den ausgeflogenen Jungen zurüfehrt. Folgt man abends ihrem lauten Geſchrei, ſo belauſcht man leicht die neugierigen und wenig ſcheuen Vögel und kann dann erfahren, wie die ganze Familie ſich in ihre Nachtherberge zurücßzieht. Levaillant verſtopfte das Baumloch und holte die ſo gefangene Geſellſchaft am anderen Morgen hervor. Sobald etwas Licht hineinfiel, kam einer nah dem anderen zur Öffnung und wurde raſh am Schnabel erfaßt. Auf dieſe Weiſe erlangte unſer Forſcher zuſammen 62 Männchen, 45 Weibchen und 11 Junge von verſchiedenem Alter.

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