Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Bienenfreſſer: Allgemeines. ST

ſie ſelten, hölhſtens dann, wenn ſie ein erſpähtes Kerbtier aufzunehmen gedenken; dagegen ſtreichen ſie oft dicht über dem Waſſerſpiegel dahin, wie Shwalben thun. Die Nachtruhe verbringen ſie auf den Zweigen dichtwipfeliger Bäume oder während der Brutzeit in ihren Niſtlöchern.

Es iſt unmöglich, Bienenfreſſer zu überſehen. Sie verſtehen es, eine Gegend zu beleben. Kaum fann es etwas Schöneres geben als dieſe bald nah Art eines Falken, bald nach Art der Schwalben dahinſtreichenden Vögel. Sie feſſeln unter allen Umſtänden das Auge, gleichviel, ob ſie ſich bewegen oder, von dem anmutigen Fluge. ausruhend, auf Zweigen und dem Boden ſißen. Jn lebterem Falle, oder wenn ſie unter dem Beobachter auf und nieder ſtreichen, kommt die volle Pracht ihres Gefieders zur Geltung. Wenn ſie, wie es zuweilen geſchieht, zu Hunderten oder Tauſenden auf einzelnen Bäumen oder Gebüſchen oder auf dem Boden dicht nebeneinander ſi niederlaſſen, ſhmüden ſie ſolchen Ruheplabß in unbeſchreiblicher Weiſe. Am meiſten feſſelt doh immer und immer wieder ihr köſtlicher Flug. Ebenſo ruhig wie ſtetig, ebenſo leiht wie zierlih trägt er den Bienenſfreſſer ſcheinbar ohne alle Anſtrengung durch jede beliebige Luftſhiht. Jm Nu ſtürzt ſih einer von ihnen aus bedeutender Höhe ſenkre<t zum Boden herab, um ein vorüberfliegendes Kerbtier, das ſein ungemein ſcharfes Auge wahrgenommen, zu fangen; binnen weniger Augenblide hat er ſeine frühere Höhe wieder erreicht und fliegt mit den übrigen unter lautem, oft wiederholtem „Guep gueb“/, dem allen Arten gemeinſamen Lo>rufe, weiter. Auf einige Flügelſchläge folgt ein Dahingleiten mit halb ausgebreiteten, halb angezogenen Schwingen, das aber mit ſo großer Schnelligkeit geſchieht, daß der Vogel wie ein Pfeil erſcheint. Nicht minder anziehend ſind dieſe liebenswürdigen Geſchöpfe da, wo ſie ſich bleibend angeſiedelt haben und in größter Nähe betrachten laſſen. Pärchenweiſe ſieht man ſie auf den hervorragenden niederen Äſten ſißen. Der eine Gatte ruft dem anderen von Zeit zu Zeit zärtlich zu; dann erhebt ſich dieſer zu einem kurzen, raſchen Fluge und nimmt ein vorüberſliegendes Kerbtier auf. Während er dem Raube nahſliegt, bleibt jener ruhig ſißen und wartet auf ſein Zurück: fommen. Jh habe nie geſehen, daß zwei Bienenſreſſer ſich um eine Beute geſtritten hätten, niemals beobachtet, daß unter ihnen Kampf aus irgend welcher Urſache entſtanden wäre. Friede und Verträglichkeit herrſht unter allen Umſtänden unter ihnen, ihr Verein mag ſo zahlreich ſein, wie er ſein kann.

Die Nahrung beſteht ausſ\chließli< in Kerbtieren, die in der Regel im Fluge gefangen, ausnahmsweiſe aber au<h von leiht zugänglichen Blättern oder ſelbſt vom Boden aufgenommen werden. Merkwürdig iſt, daß die Bienenfreſſer giftſtachlige Kerfe verzehren. Verſuche, die angeſtellt wurden, haben zur Genüge bewieſen, daß der Stih einer Biene oder Weſpe den meiſten Vögeln tödlich iſt; genaue Beobachtungen ergaben, daß faſt alle Vögel, welche derartige Kerbtiere fangen, ihnen vor dem Verzehren den Giftſtachel abbeißen: die Bienenfreſſer hingegen ſchlingen ohne jegliche Vorbereitung die gefährliche Beute hinab.

Alle Bienenfreſſer niſten geſellig und zwar in tiefen, wagerecht in ſteil abfallende Erdflächen gegrabenen Höhlen. Alle Arten lieben au<h während ihres Brutgeſchäftes die Geſellſchaft von ihresgleichen, und deshalb ſind die Brutſtellen faſt ausnahmslos ſehr zahlreich beſeßzte Siedelungen. Der eigentliche Niſtplaß iſt ein ba>ofenförmig erweiterter Raum am hinteren Ende des Ganges. Ein wirkliches Neſt wird nicht erbaut, das aus 4—7 rein weißen Eiern beſtehende Gelege vielmehr auf den bloßen Sand niedergelegt. Erſt nah und nah ſammelt fi< von den abgebiſſenen Flügeln der Kerbtiere oder von den ausgeſpieenen Gewöllen eine Art von Unterlage, ſozuſagen ein Sigpolſter für die Fungen an.

Am Weihnachtstage des Jahres 1850 legte ih mein Boot in der Nähe der zahlreichſten Siedelung an, die ih kennen lernte. Mindeſtens 60 Pärchen des Zaumſpintes (Merops frenatus) hatten ſich eine glatte, feſte Thonwand am Ufer des Blauen Nils zur Niſtſtelle