Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

A Erſte Ordnung: Baumvögel; neununddreißigſte Familie: Eisvögel.

ſo er- hineinſclieffen wil, niedergetru>t wirt, alſo, daß das Waſſer darauß getru>t, jm einen ſichern Zugang gibt. Ariſtoteles ſagt, diß Neſt ſey gleich einer Meerballen, ſo von Vlumen vnd manchexrley Aglen zuſammen geſamlet werden, lichtrot, als ein Vintauß, oder Schhrepfſfhörnlein mit einem langen Halß geſtaltet. Sein das gröſte Neſt iſt gröſſer dann der gröſte Badeſhwamm, vermacht vnd verkleibt allenthalben, darzu hin vnd her als ein Shwam, an einem ort voll, am andern leer, das erſett ſih auh einem ſ<harpffen Wehr, alſo, daß man es kaum mag zerhawen. Es ſtehet im Zweifel, worauß doch dieſes Neſt gez macht werde: man vermeint aber, es werde auß ſpite fiſ<hgräten gemacht, dieweil ſie der Fiſche gelebe. Nachdem er ſein Neſt alſo außgemacht, legt er derm ſeine Eyer darein, wiewol etliche ſagen, er leg dieſe zu euſſerſt in den Meerſand vnd brüte ſie daſelbſt auß, faſt mitten im Winter. Sie legen fünff Eyer, machen auch jhr Neſt in den ſiben erſten Tagen, vnd in den fiben nachgehenden legen ſie, brüten ſie auß, vnd erziehen jhre jungen. Dieſer vogel gebieret ſein lebenlang, vnd fäht an ſo er vier Monat alt worden iſt. Das Weiblin liebet ſeinen Mann alſo, daß es jm nit nur eine zeit im Jar, als andere Vögel, anhangt, ſondern ſi< bloß zu ihm vnd zu ſonſt keinem andern geſellet, aus Freundſchaft, ehelicher Pflicht und Liebe. So aber der Mann jeßt von Alter vnvermöglih worden, vnd kaum herzukommen mag, nimpt es den alten auff, vnd ernehret, vnd erhältet jn, alſo, daß es denſelbigen niemals hinder jhm läßt, dieweil es den auf den Rüden gelegt, mit ſich tregt, ſtehet au< dem bey, vnd iſt jhm behülfflih biß in den Todt. So der Mann geſtorben, ſo eſſen vnd trin>en die Weiblin gar nichts mehr, ſondern ſie tragen Leid eine lange Zeit, darnach verderben ſie ſih ſelbſt, doh ſingen ſie vor jhrem Todt, ſo ſie jezt aufhören wöllen zu ſingen, einen Éläglihen Geſang, Ceyx, Ceyx. Dieſes wiederholen ſie offt vnd di hören denn auff. Doch wolt ih niht, daß ih oder andere Leut dieſe Stimm ſolten hören, dieweil dieſe viel Sorg, Vnglü> vnd den Tod ſelbſt bedeute. Der Eyßvogel mit ſampt ſeinen jungen hat einen lieblihen Geru, gar nahe als der wohlgeſ<hma>te Biſem. Sein Fleiſch, ob er gleich todt, faulet niht. Man glaubt, daß er ſi ſein Haut abgezogen, oder allein das Eingeweyd darauß genommen vnd auffgehend>et, alle Far, als ob er noh bey leben mauſſe. Die Kauffleut, ſo wüllin Tuch verkauffen, die haben die Haut von dieſem vogel bey dem Tuch, als ob dieſe die Krafft habe, die Schaben auszutreiben. Dieſes ſol ſie thun, ſo ſie allein in dem Gaden oder Gemachen iſt, darinn das Tuch dann ligt, vnd diß haben etliche mir geſagt, ſo diß erfahren haben, wiewol ih das kaum glaub. Es ſagen etliche, die Straal ſchlage niht in das Hauß darinn, diß Neſt gefunden werde. Ftem ſo man zu den Schäzen legt, fol er dieſelbigen mehren, vnd alſo alle Armuth hinwegtreiben.“

Alſo berichtet gläubig der alte Gesner, die wunderbaren und unbegreiflichen Angaben der Alten zuſammenſtellend. Und das Wunderbarſte iſt, daß ſih dieſe Märlein bis in die neuere Zeit erhalten haben und wenigſtens teilweiſe geglaubt werden; denn heutigestags noh erzählen manche Völkerſchaften faſt dieſelben Geſchichten. Sowie unſere Vorfahren glaubten, daß der Wundervogel noh im toten Zuſtande den Bliß abwehre, verborgene Schätze vermehre, jedem, der ihn bei ſi<h trage, Anmut und Schönheit verleihe, Frieden in das Haus und Windſtille auf das Meer bringe, die Fiſche an ſih lo>e und deshalbh den Fiſchfang verbeſſere, ſo laufen ſelbſt heutzutage noh bei einigen aſiatiſchen Völkerſchaften, bei Tataren und Oſtjaken, wunderſame Geſchichten von Mund zu Munde. Die genannten Stämme ſ<reiben den Federn unſeres Vogels Liebeszauber und ſeinem Schnabel heilſame Kräſte zu. Alle dieſe Mären gelten in unſeren Augen nihts mehr; der Vogel aber, den ſie verherrlihten, iſt darum niht minder der allgemeinen Beahtung wert.