Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Seriema. — Sonnenralle. 689

„Obgleich das Fleiſch dieſer Vögel weiß und wohlſ<hme>end wie Hühnerfleiſch iſt“ fährt der Prinz von Wied fort, „ſo werden ſie doh nur ſelten gejagt. Da ſie ſehr ſchüchtern ſind, iſt es niht leiht, ihnen mit der Flinte beizukommen; ſelbſt meine bei den Neſtern verfolgenden Jäger waren nicht ſo glü>lih, die Alten zu überliſten. Sobald die Seriema etwas Fremdartiges bemerkt, verſtummt ihre Stimme ſogleih, und im nächſten Augenbli>e hört man ſie ſhon in weiter Entfernung; alsdann pflegt ſie ſich au< in dem Gebüſche zu verbergen. Die beſte Art, dieſen Vogel zu jagen, iſt, wenn man ihn zu Pferde im Trabe verfolgt und niht aus dem Auge läßt; denn, anhaltend in weitem Kreiſe von dem Gebüſche abgeſchnitten und immer ſchneller laufend, ermüdet er endlih. Sowie der Jäger dies bemerkt, reitet er auf den Vogel zu, der jezt kleine Wendungen macht, und man wirſt ihm nun entweder eine Schlinge um den Hals oder ſchießt ihn von einem Baume herab, auf den er ſi< na< kurzem, niedrigem Fluge geſeßt hatte. Gewöhnlich drückt er ſi übrigens auf den Boden nieder, und man ergreift ihn lebend mit der Hand. Jh hatte lange vergebens mit meinen Jägern nah dieſen Vögeln das Campo durhſtrichen, bis ein rüſtiger Pflanzer aus der Nachbarſchaft ſich zufällig auf ſeinem raſchen Hengſte bei mir einfand. Er verſprach, mir ſogleih den Anbli> einer Seriemajagd zu verſchaffen, ritt nach dem Vogel, deſſen Stimme man eben hörte, hin und jagte ihn auf. Mit Vergnügen ſahen wir, wie der Reiter in raſchem Trabe unausgeſeßt dem ſchnellen Vogel über Höhen und Nüken, dur ſanſte Thäler und Ebenen folgte, ihn höchſt geſchi>t vom Gebüſche abſchnitt und endlih die ſhöne Beute uns lebend überbrachte.“

Zur zweiten Sippſchaft der Kranichvögel, zu den Sonnenrallenartigen (EuryPy gae), gehören neben den Rallenkranichen zwei der eigenartigſten eine beſondere Familie bildenden Vögel Südamerikas. Die Sonnenrallen (Eurypygidae) fennzeihnen ſih dur geringe Größe, ſ<hmächtigen Leib, ziemlich langen, dünnen Hals, reiherähnlichen Kopf, langen, geraden, ſtarken, harten und ſpißigen, ſeitlich zuſammengedrücten, auf dem Firſte ſanft gewölbten Schnabel, hohe, ſchlanke Füße mit ziemlih entwi>elter Hinterzehe, ſehr breite, große Flügel, unter deren Schwingen die dritte die längſte, auffallend langen, aus großen und breiten Federn gebildeten Schwanz und reiches, lo>er anliegendes, äußerſt buntfſarbiges Gefieder.

Kopf und Naen der Sonnenralle (Eurypyga helias, solaris und phalenoides, Helias oder Heliornis solaris) find ſ<warz, ein Augenbrauenſtreifen und ein zweites Band, das vom S<hnabelwinkel nah dem Hinterhalſe verläuft, Kinn und Kehle weiß, die Federn des Rückens, der Schultern und die Oberarmfedern auf \{<warzem Grunde roſtrötlich quer geſtreift, die Bürzel- und oberen Shwanzde>federn ſ{<hwarz und weiß, die Halsfedern braun und ſchwarz gebändert, die der Unterteile gelblich- oder bräunlichweiß, die Schwingen hellgrau, weiß und ſ{<warz gemarmelt und braun gebändert, die Shwanzfedern ähnlich gezeichnet und durch die ſhwarze, nah der Wurzel zu braun geſäumte, breite Endbinde noh beſonders geziert. Eine genauere Beſchreibung des Gefieders läßt ſich, ohne ſehr weitſchweifig zu werden, wegen der Mannigfaltigkeit der Zeihnung und Färbung niht geben. Das Auge ſieht rot, der Shnabel wachsgelb, der Fuß ſtrohgelb aus. Die Länge beträgt ungefähr 42 cm.

Erſt dur die neueren Reiſenden haben wir einiges über das Freileben der Sonnenralle erfahren, dur< die Tiergärten zu London und Amſterdam auch das Gefangenleben genauer kennen gelernt. Der Vogel, der nicht ganz mit Unrecht mit einem großgefiederten

Brehm, Tierleben. 3, Auflage. V. 44