Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

688 Sechſte Ordnung: Kranichvögel; dritte Familie: Shlangenſtörche.

noch ſaftige Beeren als Futter an. Gefangene freſſen Fleiſchſtücke, Brot, Kerbtiere und dergleichen, bekunden übrigens wirkliche Raubgelüſte, ſo oft ſie können. „Sperlinge, junge Natten und Mäuſe“, ſagt von Homeyer, „die ſih dem Futterkaſten nähern, werden oft, indem ſi< der Vogel im ſchnellſten Laufe auf ſie ſtürzt, mit unendlicher Geſchicklichkeit gefangen und, nahdem ſie erſt im Waſſer vollkommen eingeweiht und mundgere<t gemacht worden ſind, mit Haut und Haaren verſhlu>t. Das Einweichen geſchieht vorzugsweiſe bei größeren Arten, wie Ratten und Spexrlingen, ſeltener bei kleineren, z. B. den Mäuſen.“ Eine, die Burmeiſter beobachtete, nahm nur kleine Fleiſhſtü>chen auf, ließ aber größere Biſſen, Gedärme des Hausfederviehes, liegen, ſammelte dagegen Knochen oder ſelbſt aus Knochen gearbeitete Gegenſtände und ſ{<lug ſie ſo lange auf einen Stein, bis ſie zerſprangen, unzweifelhaft in der Abſicht, Kerbtiere, Maden oder Würmer, die im Fnneren der Markröhre leben, oder das le>ere Mark ſelbſt zu erbeuten. Schlangen tötet die Seriema nah Haa>es Beobachtungen in Frankfurt, indem ſie ſie ſo lange mit dem Schnabel ergreift und ſhnell zu Boden ſchleudert, bis ſie ſi< niht mehr regen.

Ju der Paarungszeit ſtreiten ſih die männlichen Seriemas heftig um die Weibchen. Hiervon war der Prinz von Wied im Monat Februar Augenzeuge. „Sie verfolgten ſi in dem dichten Nebel des Morgens und kamen uns dann zufällig ſo nahe, daß wir ſie im ſchnellen Laufe mit weitgeöffnetem Schnabel erbli>ten.“ Auch von Homeyer gedenkt der NRaufluſt des Vogels und beſchreibt die Kampſſtellungen, die er annimmt. „Kommt die Seriema in Streit“ ſagt er, „ſo macht ſie tolle Sprünge, ſträubt das Halsgefieder, bläht ſi< raubvogelartig auf und breitet den Shwanz während eines Sprunges in der Luft fächerförmig aus, nebenbei auch vielleicht, um niht das Gleichgewicht zu verlieren, den einen oder den anderen Flügel. So wird bald ſpringend, bald laufend der Gegner unter den drolligſten Gebärden angegriffen und verfolgt. Der Schnabel iſt als die eigentliche Waffe zu betrachten, mit welcher die Seriema gelegentlih einen glüdlichen Griff thut und dem Gegner viele Federn ausrupft, während der oft vorgeſchnellte Fuß nie Érallt, ſondern nur Stöße und Fußtritte gibt. Übrigens ſind dieſe Zwiſtigkeiten zwiſchen den Seriemas oder ihnen und anderen Vögeln überhaupt nie von langer Dauer, nehmen auc nie einen bösartigen Charakter an.“

Das Neſt wird auf einem niedrigen oder mäßig hohen Baume angelegt. Eins, das der Prinz von Wied fand, konnte mit der Hand erreiht werden. Es beſtand aus dürren Neiſern, die unordentlih quer über die Zweige gelegt waren; eine Schicht von Letten oder Kuhmiſt bildet die Mulde. Jn ihr findet man 2 weiße, ſpärlich roſtrot getüpfelte Eier, die Pfaueneiern in der Größe ungefähr gleichkommen, und ſpäter die in dichte, roſtgelbe, grauſhwarzbraun gewellte Daunen gekleideten Jungen, die einige Zeit im Neſte zubringen, dann aber von den Alten ausgetrieben werden ſollen. Fhrer leihten Zähmbarkeit halber hebt man ſie, wenn ſie halbwüchſig ſind, aus, um ſie im Gehöfte aufzuziehen. Sie gewöhnen ſi, laut Burmeiſter, ſchon nah zweitägiger Pflege ſo an den Menſchen, daß ſie auf ſeinen Nuf herbeieilen, um ihre Nahrung von ihm zu empfangen. „Jh ſah zwei ſolcher Vögel, welche frühmorgens zuſammengekauert um das Feuer ſtanden und ſi< wärmten, unbekümmert um eine Anzahl von Kindern und Erwachſenen, die aus demſelben Grunde diht neben ihnen lagerten. Angeſtoßen und von der Stelle vertrieben, gaben ſie einen furzen Laut des Unmutes von ſi< und nahmen ſogleich dieſelbe Stellung an der anderen Seite des Feuers wieder ein.“ Nachdem ſie erwachſen ſind, ſpielen die Jungen den Meiſter des übrigen Geflügels auf dem Hühnerhofe, leben jedoch mit ihm ziemlich in Frieden. Nachts ſchlafen ſie ſtets auf erhabenen Standpunkten, am liebſten auf den aus Reiſern geflochtenen Dächern der Sonnenſchauer. Man gewährt ihnen vollkommene Freiheit; ſie laufen weit umher, kehren aber immer wieder zurü> und benehmen ſih ganz wie Haustiere.