Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Jüägerltejt: Verbreitung. Stimme. Gefangenleben. Nahrung. 69

Plate, wenn ſie paarweiſe gehalten werden, dicht nebeneinander. Dex Hals wird dabei ſo eingezogen, daß der Kopf unmittelbar auf den Schultern liegt, das Gefieder läſſig getragen. Zur Abwechſelung ſträubt einer oder der andere das Kopfgefieder ſo, daß der Kopf faſt noh einmal ſo groß erſcheint wie ſonſt und einen ſehr ernſthaften Ausdru> gewinnt; zuweilen wird auh mit dem Schwanze gewippt. Dieſer Bewegungen ungeachtet erſcheint der Rieſenfiſcher träge, verdroſſen und ſchläfrig: aber er erſcheint auh nur ſo. Wer wiſſen will, wes Geiſtes Kind ex vor ſi hat, muß das unruhig ſi bewegende, liſtig blibende Auge beobahten: er wird dann wenigſtens zu der Überzeugung gelangen, daß der Vogel ſeine Umgebung fortwährend muſtert und alles, was vorgeht, bemerkt.

Auch im Käfige zeigt der Rieſenfiſcher dieſelbe ' Zeitkunde wie im auſtraliſchen Buſchwalde: er ſchreit in der Regel wirklich nur zu den oben angegebenen Zeiten. Doch trägt er beſonderen Ereigniſſen Rehnung, läßt ſi z. B. herbei, eine ihm gebrachte und ihm verſtändlihe Begrüßung durch Geſchrei zu erwidern. Hat er ſi< einmal mit ſeinem Pfleger enger befreundet, ſo begrüßt er dieſen, auh ohne dazu aufgefordert worden zu ſein. Die zahmſten Rieſenfiſcher, die ih geſehen habe, lebten im Tiergarten zu Dresden. Die träumeriſche Ruhe, in welcher ſie ſih gefielen, wih augenbli>li< der lebhafteſten Erregung, wenn ihr Pfleger ſi< nahte. „Sobald ih mich ſehen laſſe“, erzählte mir Shöpff, „begrüßen mich die Vögel mit lautem Geſchrei; gehe ih in den Käfig, ſo fliegen ſie mir auf Schulter und Hand, und ih muß ſie mit Gewalt entfernen, wenn ich ſie los werden will; denn freiwillig haben ſie mi< noh nie verlaſſen. Schon wenn ih am Käfige auf und ab gehe, fliegen ſie mir nah, au<h wenn ih mi ſcheinbar niht um ſie kümmere.“ Zum Beweiſe der Wahrheit ſeiner Erzählung führte mih Schöpff zu dem betreffenden Käfige, und ih hatte nun ſelbſt Gelegenheit, die Zahmheit der Tiere zu bewundern. Die gedachten Rieſenfiſcher leben mit Silber- und Nachtreihern, Purpurhühnern und Jbiſſen im beſten Einvernehmen, ſcheinen ſi< aber wenig um ihre Genoſſen zu kümmern, ſi vielmehr nux mit ſi ſelbſt zu beſchäftigen. Mit Kleingeflügel aber würden ſie ſich ſ<hwerli< vertragen; denn ¡hre Mordluſt iſt ſehr ausgeprägt. So friedlich die Gatten eines Paares dieſer Vögel ſind, ſo zänkiſh zeigen ſie ſih, wenn ihre Naubſucht rege wird. Dann will jeder der erſte ſein. Eine lebende Maus wird wütend angefallen, gepa>t und raſh nacheinander einige Male gegen den Aſt geſchlagen, eine bereits getötete in derſelben Weiſe behandelt. Dann faſſen beide das Schlachtopfer und zerren es heftig hin und her, ſträuben die Kopfſedern und werfen ſich bitterböſe Blicke zu, bis endlih einer in den unbeſtreitbaren Beſiß des Beuteſtückes gelangt, das heißt, es im Fnneren ſeines Schlundes gegen fernere Nachſtellungen des anderen ſichert.

Wie ſehr die Jägerlieſte nah Tieren mit Haut, Federn, Schuppen oder Haaren verlangen, erkennt man, ſobald man ihnen ſolche, wenn auch nux von ferne zeigt. Anſcheinend ohne Widerſtreben begnügen ſie ſi<h mit den ihnen ſonſt gereichten Fleiſhbroden und laſſen äußerlih keinen Mangel erkennen; ſobald ſie aber eines der bezeihneten Tiere erbli>en, verändert ſi< ihr ganzes Weſen. Das Kopfgefieder ſträubt ſich, die Augen leuchten heller, und der Schwanz wird mehrmals nacheinander kräftig gewippt; dann ſtürzt ſich der Rieſenlieſt eiligſt auf die willkommene Beute und gibt, ſobald er ſie gepa>t hat, dur lautes Schreien, in welches der Genoſſe regelmäßig einzuſtimmen pflegt, ſeiner Freude Ausdru>. Erheiternd in hohem Grade iſt das Schauſpiel, das man ſich bereiten kann, wenn man den Vögeln eine größere lebendige Schlange bietet. Dhne Beſinnen überfällt der Rieſen: fiſcher auch dieſe; mit derſelben Gier wie die Maus pat er ſie, und ebenſo wie mit jener verfährt er, um ſie zu töten. Doch die Zählebigkeit des Opfers bereitet ihm Schwierigkeiten, und das jubelnde Gelächter wird jezt gleichſam zum Schlachtgeſange. Früher oder ſpäter überwältigt ex ſein Opfer aber denno<h und verzehrt es, wenn nicht im ganzen, ſo doh