Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

28 Siebente Drdnung: Suchvögel; erſte Familie: Negenpfeifer.

bereits in der lebten Hälfte des Juli, ſtreift während des Auguſt und September regellos im Lande umher und tritt Ende September oder Anfang Oktober die Reiſe wirklih an, verbringt die Wintermonate bereits auf mehreren Eilanden des griechiſhen Fnſelmeeres oder in Nordafrika, behält jedoch ſeine umherſtreifende Lebensweiſe bei und gelangt ſo nach den Wendekreis- und weiter ſüdlich gelegenen Ländern, beiſpielsweiſe nah Südauſtralien, Tasmanien, Südafrika und den La Plata-Staaten. Fm April und Mai durchreiſt er Deutſchland auf dem Nückzuge.

Nach Art ſeiner Verwandten zieht er Süßwaſſerſeen und Brüche den Meeresküſten entſchieden vox. Man begegnet ihm allerdings auch hier zuweilen, in der Regel aber doh nur auf ſ{<hli>igen Stellen und immer bloß auf kurze Zeit. Fn der Winterherberge ſiedelt er ſi an den Strandſeen, Flüſſen, die ihre Ufer übertreten, und beſonders gern in Reisfeldern an. Gewöhnlich ſieht man ihn hier einzeln, aber faſt immer umringt von verſchiedenen Strandläufern, Strandreitern, Uferſchnepfen oder ſelbſt Shwimmvögeln, namentlich Enten, deren Führung er anſcheinend bereitwillig übernimmt, die ihm mindeſtens blindlings folgen. Er bindet ih niht an größere Gewäſſer, ſondern ſucht ſelbſt die kleinſten Lachen und Teiche auf.

Der Glutt vereinigt alle Eigenſchaften ſeiner Gattung in ſi<h, bethätigt alle Munterkeit, Gewandtheit und Beweglichkeit ſeiner Verwandten, trägt ſi<h ho<h, man möchte ſagen ſtolz, ſchreitet mit wagereht gehaltenem Leibe leiht und behende dahin, watet gern in das Waſſer, ſhwimmt, und nicht bloß im Notfalle, oft über ziemlich weite Waſſerſtre>en, taucht bei Gefahr vortreffli<h und rudert unter dem Waſſer mit Hilfe ſeiner Flügel weiter, fliegt, meiſt in gerader Nichtung, mit raſchen und kräftigen Schwingungen {nell und gewandt dahin, beſchreibt prachtvolle Wendungen und wirſt ſih vor dem Niederſegen ſauſend bis dicht über den Boden hinab, erſt hier die Eile der Bewegung dur< Flügelſchläge hemmend. Seine Stimme iſt ein hohes, helles, weit tönendes Pfeifen, das ſih dur< die Silbe „tjia“ ungefähr wiedergeben läßt und ſehr angenehm flingt, der Locton ein leiſes „Dik di>“ der Ausdru> der Angſt ein kreiſchendes „Krüh krüh““, der Paarungsgeſang ein flötenartiges „Dahüdl dahüdl dahüdl“/, das oft wiederholt, aber nur im Fluge " vorgetragen wird. Unter den Verwandten iſt er unbedingt der klügſte, vorſichtigſte und ſcheueſte und deshalb gerade zur Führerſchaft im höchſten Grade befähigt. Man ſieht ihn zu jeder Tageszeit in Bewegung; denn er ſchläft nur in den Mittags- oder vielleicht no< in den Mitterna<htsſtunden , aber au<h dann noch jo leiſe, daß ihn jedes Geräuſch ſofort erwe>t. Einen herannahenden Menſchen beobachtet er ſorgfältig und mit dem entſchiedenſten Mißtrauen; dem Reiter weiht er ebenſo ängſtli<h aus wie dem Fußgänger, dem Schiffer im Kahne wie dem Fuhrmanne auf dem Wagen. Alles Ungewohnte bewegt ihn zur Flucht, und er zeigt ſi<h um jo ſcheuer, je weniger er mit dem Menſchen verkehrt. Geſelligkeit iſt auh ihm fremd: er kümmert ſih, wie man bald wahrnimmt, kaum um ſeinesgleihen, obwohl er zuweilen mit anderen ſeiner Art zuſammenkommt, und nicht er iſt es, der ſi< unter die oben genannten Gefährten miſcht, ſondern dieſe ſuchen ihn auf. Sein Loton gilt allen Verwandten und ebenſo den Strandläufern als untrügliches Zeichen, daß eine gewiſſe Örtlichkeit ſicher iſ; ſein Betragen dient allen zur Richtſchnur.

Die Nahrung, weſentli dieſelbe, die au< andere Waſſerläufer genießen, beſteht in ſehr verſchiedenem Waſſergetiere, hauptſählih wohl in Kerbtieren und deren Larven, Kerfen, Haften, Libellen und dergleichen, ebenſo in Würmern, Krebs- und Weichtieren, insbeſondere ſolchen des Meeres, auh wohl in Froſhlarven und kleinen ausgebildeten Fröſchhen und endlih in jungen Fiſchen verſchiedener Art. Naumann ſah ihn mit Behagen Drehfkäferhen von der Oberfläche des Waſſers wegnehmen und ihnen bis tief ins Waſſer nachlaufen.