Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

478 Zehnte Drdnung: Stoßvögel; dritte Familie: Kranichgeier.

Vorſicht, nähert ſih daher mit größter Behutſamkeit. Sträuben der Schopf- und Hinterhalsfedern bezeichnen den Beginn des Kampfes. Mit mächtigem Sprunge ſtürzt er ſich auf das Kriechtier, verſeßt ihm mit dem kräftigen Fange einen gewaltigen Schlag und ſtre>t es niht ſelten mit dem erſten Streiche zu Boden. Gelingt ihm der erſte Angriff nicht, hebt ſih die Schlange, breitet die in höchſte Wut verſeßte Uräusſhlange drohend ihren Schild, ſo zwingt ſie ihn zunächſt, mit einem Sprunge zurü>zuweihen. Doch thut er dies nur, um lauernd auf den re<hten Augenbli> zu harren. Mit aufgerichtetem Haupte züngelt und ziſcht die Schlange, um den Feind zu ſhre>en; dieſem aber wächſt der Mut in demſelben Grade, wie die Gefahr ſich ſteigert. Mit gelüpften Fittichen ſchreitet er von neuem vor, und wiederum verſeßt er ihr Fußſchläge von ſo unwiderſtehlicher Kraft, daß die Schlange ſicherlich binnen kurzem kampfunfähig daniederliegt. Stürzt ſih, wie wir dies wiederholt geſehen haben, die Schlange angreifend auf ihren Gegner, ſo weiß dieſer auh jezt no< ihren Biſſen aus8zuweichen, ſei es, daß er ihr die ausgebreiteten Shwingen vorhält ſei es, daß er nah rü>wärts oder zur Seite ſpringt. Ermattet und erſchöpft fällt die Schlange endlich platt auf den Boden nieder, und nunmehr verdoppelt der Vogel ſeine Anſtrengungen, zerbricht ihr mit vernihtenden Schlägen ſeiner Fänge die Wirbelſäule, raubt ihr dadur< Beweglichkeit und Macht und ſeßt ihr endlich, blißſ<hnell vorgreifend, den kräftigen Fang in den Na>en. Dhne weitere Umſtände beginnt er ſodann ſeine Mahlzeit. Binnen wenigen Minuten hat er eine Schlange von faſt 2 m Länge aufgezehrt, bis auf den Kopf, zertrümmert leßteren mittels einiger Schnabelbiſſe, ſchreitet hierauf gemächlih ſeinem Ruheorte zu, zieht den Kopf zwiſchen die Schultern und verweilt, ruhig verdauend, mehrere Stunden nacheinander in dieſer Stellung.“ Fm Gegenſatze zu den genannten Forſchern verſichert Drayſon, daß man den Kranichgeier auch fliegend jagen ſieht. „Einer dieſer Vögel {webt in einer Höhe von etwa 60 m über dem Boden, hält plößlih an, ſenkt ſih hernieder und läuft auf die erſpähte Beute zu, breitet ſeine Shwingen, haut angreifend mit dem Schnabel vor und benutzt abwehrend ſeine Flügel, erhebt ſih zuweilen, wahrſcheinli< dann, wenn ſein Gegner, deſſen Tücke ihm wohlbekannt iſt, heftige Abwehr verſuchte, mit hohen Sprüngen in die Luft, läßt ſih jedo< ſofort etwa 6 m davon entfernt wiederum zum Boden herab und rü>t von neuem zum Angriffe vor, bis dieſer ihm endlich vollſtändig gelingt.“ Heuglin ſah, daß ein Sekretär Wüſtenſchildkröten mit einem Schlage des mächtigen Fanges zerſhmetterte. Ältere Beobachter wollen geſehen haben, daß unſer Vogel große Schlangen in die Luft hebt und ſie aus bedeutender Höhe zu Boden fallen läßt, um ſie zu zerſhmettern: die neueren Reiſenden wiſſen hiervon zwar nichts zu berichten; doch iſt die Angabe keineswegs unwahrſcheinlih, weil auh andere Fangvögel in derſelben Weiſe verfahren. i

Ob der Sekretär einem wirkſamen Biſſe größerer Giftſchlangen unterliegt oder in gewiſſem Sinne giftfeſt iſt, kann zur Zeit mit Sicherheit noh niht angegeben werden; ſo viel aber iſ zweifellos, daß er getötete Giftſhlangen ſamt ihren Zähnen ohne Bedenken verſchlingt, ſi alſo rü>ſihtslos der Gefahr ausſeßt, dur die Zähne innerlih verwundet und vergiftet zu werden.

Über die Fortpflanzung des Sekretärs liegen mehrfache, durhaus übereinſtimmende Angaben vor. Am ausführlichſten berihten Levaillant, Verreaux und Heuglin. Jm Juni oder Juli beginnen eiferſühtige Kämpfe zwiſchen den Männchen um den Beſiß einer Gattin, die ſodann mit dem glü>lihen Sieger gemeinſchaftlih den Bau des Horſtes in Angriff nimmt. Leßterer ſteht faſt immer auf der Spitze eines hohen und dichten Buſches, meiſt einer Mimoſe, ſonſt auh auf einzeln ſtehenden Bäumen. Zuſammengelegte Reiſer, die mit Lehm gedichtet werden, bilden die Grundlage; die flahe Mulde iſ mit Pflanzenwolle, Federn und anderen weichen Stoffen ausgefüttert. Der Horſt wird jahrelang von