Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

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Sekretär: Jagd auf Schlangen. Fortpflanzung. 479 demſelben Paare benußt; man erkennt ſein Alter leiht an den verſchiedenen Schichten, deren jedes Fahr eine neue bringt. Nicht ſelten ereignet es ſich, daß die Zweige der äußeren Bede>ung neue Schößlinge treiben, die alsdann den ganzen Bau vollſtändig umgeben und verde>en. Jeden Abend begibt ſi<h das Paar zum Neſte, zunächſt, um hier zu übernaten. Ein zweites Paar ſeinesgleihhen duldet es niht in dem von ihm in Beſchlag genommenen Gebiete; wohl aber geſtattet es, wie andere große RNaubvögel auc, daß kleine Körnexfreſſer in unmittelbarer Nähe oder zwiſchen dem Reiſig des Horſtes ſelbſt ſih anſiedeln. Erſt im Auguſt legt das Weibchen ſeine Eier, 3—4 an der Zahl. Dieſe haben bei: nahe die Größe eines Gänſeeies, ſind aber rundlicher, entweder rein weiß von Farbe oder ſpärlih mit rötlihen Tüpfeln gezeichnet. Nach einer 6 Wochen dauernden Brutzeit, während welcher das Weibchen vom Männchen ernährt wird, entſhlüpfen die Jungen in einem ſchneeweißen Daunenkleide. Sie ſind im hohen Grade hilflos und bleiben lange Zeit ſ{hwac< auf den Beinen, verlaſſen aus dieſem Grunde das Neſt auch ſelten vor Ablauf des 6. Monats. Entnimmt man ſie dem Horſte, ſo erfährt man, daß ſie erſt nah 5—6 Monaten einigermaßen laufen können, ſih aber immer noh oft auf die Ferſen niederlaſſen müſſen.

Sorgſam gepflegt, werden ſie bald zahm, ergößen durch ihren Anſtand, die edle Haltung, den ſtolzen Gang, das ſchöne, feurige Auge und das lebhafte Spiel ihrer Na>enfedern, unterdrü>en jedoh, wie von Heuglin erfahren mußte, Raubgelüſte niemals gänzli, werden dem Hofgeflügel oft verderblih und wagen ſih ſelbſt an Kaßen und Hunde, denen ſie, wohl nur aus Kampfluſt und Übermut, nicht ſelten gefährlihe, immer nah dem

-Kopfe gerichtete Fußſchläge verſeßen. Sie ſind mit jeder Art geeigneten Futters zufrieden,

aber überaus gefräßig, verſchlingen außerordentlih große Biſſen und geben ſih nicht oft die Mühe, ein Beuteſtü> erſt mit dem Schnabel zu zerfleiſchen. Fn unſeren Tiergärten zählen ſie noh immer zu den Seltenheiten, verfehlen aber nie, die allgemeine Aufmerkſamkeit ſich zuzulenken. Fm Kaplande ſoll man ſie in früherer Zeit wegen ihrer trefflichen Leiſtungen im Vertilgen von allerlei Ungeziefer als Hofvögel gehalten und niht über unerlaubte Übergriffe zu lagen gehabt haben. Daß ſie ſi< als Vertilger von Schlangen, Ratten, Mäuſen und dergleichen nüßlih erweiſen, läßt ſih annehmen, dagegen kaum für wahrſcheinli< halten, daß ſie ſich au<h mit dem Hausgeflügel vertragen ſollten.

Man hat den Verſuh gemacht, den nüßlichen Vogel, deſſen Tötung im Kaplande bei harter Strafe verboten iſt, auf Martinique einzubürgern, um die überaus gefährlichen Lanzenſchlangen, die Geißel jener Jnſel, zu vertilgen; der Verſuch iſt jedo<h mißlungen, niht weil der Sekretär das fremde Klima nicht ertragen hätte, ſondern der „erbärmlichen Flinten“ halber, die der Einbürgerung ein jähes Ende bereiteten.

Die Jagd des Sekretärs hat ihre Schwierigkeiten. Der Vogel iſ {wer zu entde>en und noch ſchwerer zu beſhleihen. Andersſon und ebenſo von Heuglin verſichern, daß eine längere Zeit fortgeſeßte Haß zu Pferde von dem beſten Erfolge gekrönt zu ſein pflegt. Der Vogel ſucht vor dem Reiter laufend zu entrinnen, ermattet, erhebt ſich, ſhon beinahe atemlos, fällt bald wieder ein, ſteht no<hmals auf, läuft und fliegt abwechſelnd, fortdauernd verfolgt, bis er niht mehr zu fliegen oder zu laufen vermag, und fällt dann dem Jäger zur Beute. Heuglin erhielt binnen 2 Tagen niht weniger als ſehs Stück die in dieſer Weiſe gefangen worden waren.

Unſer Vogel führt von alters her den Namen „Sekretär“, deſſen Bedeutung man erſt begreift, wenn man erfährt, daß er ſeines Federbuſches halber mit einem Schreiber verglichen wird, der die Feder hinter das Ohr geſte>t hat. Die arabiſchen Namen des Vogels ſind dichteriſcher, aber noh unverſtändlicher. Jm Weſten des Sudan wird er das „Roß des Zeuſfels“ genannt, im Nordoſten heißt er „Schi>ſalsvogel“. Jeder Eingeborene weiß etwas von ihm zu erzählen; die Berichte gehören jedo< größtenteils der Fabel an und haben für