Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

480 Zehnte Drdnung: Stoßvögel; vierte Familie: Reiher.

die Naturgeſchichte des Kranichgeiers nicht den geringſten Wert. Jch habe niemals erfahren können, was er eigentli<h mit dem in der Anſchauung aller Mohammedaner ſo bedeutſamen Geſchi> zu thun hat; niht einmal das ſonſt ſo lebendige Märchen konnte mir hierüber Aufſ<luß geben.

Zu der zweiten Sippſchaſt der Stoßvögel, die der Schreitvögel (Pelargoherodii), vereinigt Fürbringer die fünf Familien der Reiher, Schuhſchnäbel, Störche, Schattenvögel und Jbiſſe, ſämtlich gekennzeichnet dur<h bedeutende Länge des Schnabels und der Beine, an welchen die Hinterzehe ebenſo tief angeſetzt iſ wie die Vorderzehen.

„Jm Weſen und Gebaren der Schreitvögel“, ſagt etwa Reichenow, deſſen Zuſammenfaſſung ihrer Lebensweiſe wir benußen, „ſind viele gemeinſame Züge zu verzeihnen. DieSchreitvögel leben in Niederungen, in Sümpfen und an Gewäſſern, an Meeresgeſtaden, Lagunen, auf Sandbänken und in den Umgebungen der Flußmündungen. Man trifft ſie an der Meeresküſte, häufiger aber an geeigneten Stellen des Binnenlandes. Jhre Bewegung auf ebenem Boden iſt immer ein langſames Schreiten. Niemals bewegen ſie ſi<h rennend. Sie waten häufig bis an den Leib im Waſſer und ſ{<wimmen auch mehr oder weniger geſchi>t, wenn die Not ſie zwingt. Der Flug iſt ruhig und gleihmäßig. Bei vielen werden die Flügelſhläge dur< längeres Gleiten unterbrochen. Bei gemeinſamen Wanderungen nehmen ſie beſtimmte Ordnungen ein. Mit bedingter Ausnahme der Schuhſchnäbel laſſen ſich die Schreitvögel auf dem Boden nur nieder, wenn ſie auf Nahrung ausgehen, fußen dagegen, umzu ruhen, auf Bäumen oder Felſen. Die Nahrung beſteht in Weichtieren, Krebſen, Kerfen und Wirbeltieren, vorzugsweiſe in Fiſchen, Kriechtieren und Lurhen, und wird immer auf dem Boden, auf Wieſen, in Sümpfen und in ſeihtem Waſſer geſucht. Obwohl manche gegenteilige Ausnahmen vorkommen, ſo iſt doh ein Zug von Geſelligkeit als bezeihnend für die Schreitvögel hervorzuheben, der ſie niht nur auf der Wanderung, ſondern auch bei den Brutpläßen und niht nur mit Artgenoſſen, ſondern auh mit Sippſchaſtsverwandten vereinigt und ſie ſogar die Teilnahme noch ferner ſtehender Vögel an dieſen Niſtorten wenigſtens dulden läßt. Sie legen ihre Neſter in der Regel auf Bäumen an, nur wo ſolche mangeln, auf dem Boden, im Scilfe der Seen und Sümpfe und in niedrigen Büſchen. Die Neſter ſind oft re<ht lo>ere Bauten aus Reiſig, bisweilen innen mit Schilf ausgelegt. Das Gelege beſteht aus 3—5 Eiern, die meiſtens einfarbig, weiß oder blau, ſeltener bräunlich, bisweilen aber au<h auf weißem Grunde gefle>t ſind. Die Form der Eier iſt oval oder länglich ſpiz. Die Stimme der Schreitvögel iſt dumpf und rauh oder kreiſhend und gellend; einige entbehren der Stimme gänzli<h und bringen dafür ein Klappern dur< Zuſammenſchlagen der Kiefer hervor. Die Schreitvögel ſind auf der ganzen Erde mit Ausnahme des hohen Nordens anzutreffen. Sie ſind Neſtho>er; ihre Jungen bleiben bis zum vollſtändigen Flüggewerden im Neſte und werden von den Alten geaßt.“

Der Leib der Reiher (Ardeidae), welche die oberſte und reihhaltigſte, einige 70 Arten umfaſſende Familie der Sippſchaft bilden, iſt auffallend ſ<hwach, ſeitli<h ungemein zuſammengedrü>t, der Hals ſehr lang und dünn, der Kopf klein, ſhmal und flach, der Schnabel in der Regel länger als der Kopf, mindeſtens ebenſo lang, ziemlich ſtark, gerade, ſeitlich ſehr zuſammengedrü>t, auf Firſt und Kiel ſhmal, an den etwas eingezogenen Mundfanten ſchneidend ſcharf, nächſt der Spiße gezähnelt, mit Ausnahme der Naſengegend mit glatter, harter Hornmaſſe bekleidet, das Bein mittelhoh, der Fuß langzehig, die Kralle der