Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

488 Zehnte Ordaung: Stoßvögel; vierte Familie: Reiher.

und Herabſtürzen, die Angriffe und die Abwehr beider Vögel gewährte ein prachtvolles Schauſpiel. Hielt der Jäger den Neiher in der Hand, ſo begnügte er ſi in der Regel, ihm die Schmu>federn auszuziehen, oder nahm ihn mit nah Hauſe, um junge Falken an ihm zu üben. Nicht ſelten legte man dem Reiher einen Metallring mit Namen des Fängers und der Tagesangabe des Fanges um die Ständer und ließ ihn hierauf wieder fliegen. So ſoll derſelbe Reiher wiederholt gebeizt worden ſein und man erfahren haben, daß der Vogel ein Alter von 50 und mehr Jahren erreichen kann.

Gefangene laſſen ſi<h mit Fiſchen, Fröſchen und Mäuſen leicht auſziehen, dürfen aber niht mit anderem Hausgeflügel zuſammengehalten werden, da ſie Küchlein und junge Enten ohne weiteres wegnehmen und verzehren. Die {hon von Naumann angeführte Beobachtung, daß der Fiſchreiher au<h Sperlinge fängt, kann i infolge eigner Erfahrung durchaus beſtätigen.

Schlanker Leib und Gliederbau, insbeſondere der lange Hals und der verhältnismäßig [<hwache Schnabel, endlih auch die langen, weitſtrahligen Rückenfedern und das blendend weiße Gefieder kennzeihnen den Edelreiher, Silber-, Schnee- oder Buſchreiher (Ardea alba, egretta, egrettoides, candida, modesta, flayirostris, magnifica und melanorhyncha, Erodius und Herodias alba, egretta und syrmatophora, Egretta alba und nivea; Abbildung S. 487). Das Gefieder dieſes Prachtvogels iſt rein und blendend weiß, das Auge gelb, der Schnabel dunkelgelb, die na>te Wangenhaut grünlichgelb, der Fuß dunkelgrau. Die Länge beträgt 104, die Breite 190, die Fittichlänge 55, die Schwanzlänge 20 em. Den jungen Vögeln fehlen die Shmu>federn. Die Färbung des Schnabels ſcheint ſi<h na< der Jahreszeit und niht na< dem Alter zu verändern.

Der Edelreiher bewohnt Südeuropa, zumal Südoſteuropa, Mittel- und Südaſien, Afrika und Auſtralien. Jn Deutſchland zählt ex zu den ſehr ſeltenen Erſcheinungen, hat aber exwieſenermaßen hier gebrütet; in den Donautiefländern iſt er bereits ſehr zuſammengeſ<hmolzen, in Griechenland, Jtalien, Spanien auh niht häufig; in namhafter Anzahl dagegen tritt er u10< in den Ländern um das Kaſpiſhe Meer und in Nordafrika auf.

Der Seidenreiher (Ardea garzetta, nivea, xanthodactylos, orientalis. longicollis, nigripes und immaculata, Erodius garzetta, Herodias garzetta, jubata und lindermayeri) iſt nur 62 cm lang; die Breite beträgt 110, die Fittichlänge 32, die Schwanzlänge 11 cm. Das Gefieder iſt ebenfalls rein weiß, das Auge hochgelb, der Schnabel ſchwarz, der Fuß ſchwarz, in den Gelenken grüngelb.

Hinſichtlich ſeiner Verbreitung ſtimmt der Seidenreiher mit ſeinem edleren Verwandten überein, tritt aber überall häufiger auf als dieſer. Fn den Tiefländern der Donau, Wolga und des Nils iſt er nicht ſelten, auf den Neiherſtänden einer der zahlreiheren Bewohner. Zierlichëeit und Anmut des Weſens zeichnet ihn vor vielen ſeiner Verwandten aus. Seine Nahrung beſteht hauptſählih aus kleinen Fiſchen. Die Brutzeit fällt in die Monate Mai und Juni; die 4—5 Eier des Geleges ſehen licht grünlih aus.

Dex Edelreiher bevölkert, wie der Fiſchreiher, Gewäſſer verſchiedener Art, am liebſten jedoh ausgedehnte Sümpfe und in ihnen ſtets diejenigen Stellen, die möglichſt ruhig und von dem menſchlichen Treiben abgelegen ſind; denn er gehört überall zu den vorſichtigen und, da, wo er Verfolgungen erfährt, zu den ſcheueſten Vögeln. Fn ſeinem Betragen unterſcheidet er ſih zu ſeinem Vorteile vom Fiſchreiher. Er iſt, wie Naumann treffend bemerkt, ein dur Zierlichkeit Und hohe Einfachheit ſeines Gefieders ausgezeichneter, die anderen weißen Reiher dur ſeine anſehnlihe Größe überſtrahlender, herrliher Vogel. Vom Fiſchreiher