Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

498 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; vierte Familie: Reiher.

ſie täuſchen will, ſeßt ſie ſih auf die Fußwurzeln und ſtre>t Numpf und Hals, Kopf und Schnabel in einer geraden Linie ſchief nah oben, ſo daß ſie eher einem alten, zugeſpißten Pfahle oder abgeſtorbenen Schilfbüſchel als einem Vogel gleicht. Jhr Gang iſ langſam, bedächtig und träge, der Flug ſanſt, geräuſchlos, langſam und ſcheinbar ungeſchi>t. Um die Höhe zu gewinnen, beſchreibt ſie einige Kreiſe, aber niht ſ{hwebend, ſondern ſtets flatternd, und ebenſo ſenkt ſie ſi< auh beim Niederkommen bis dicht über das Rohr hinab, zieht plößlich die Flügel ein und fällt ſenkre<ht zwiſchen den Stengeln nieder. Übrigens fliegt ſie nur des Nachts in höheren Luftſchichten, bei Tage hingegen ſtets dicht über dem Nohre dahin. Wenn ſie des Nachts fliegt, vernimmt man auch ihre gewöhnliche Loſtimme, ein lautes, rabenartiges Krächzen, das man durch die Silben „krah“ oder „frauh“ ungefähr wiedergeben kann; denn das berüchtigte Brüllen läßt ſie nur während der Paarungszeit hören. Faulheit, Trägheit und Langſamkeit, Ängſtlichkeit und Argwohn, Liſt und Verſchlagenheit, Boshaſtigkeit und Heimtücke ſind ihre Eigenſchaften. Sie lebt nur für ſich und ſcheint jedes andere Geſchöpf zu haſſen; diejenigen Tiere, welche ſie verſchlingen kann, bringt ſie um, diejenigen, welche hierzu zu groß ſind, greiſt ſie wütend an, wenn fie ihr zu nahe kommen. So lange irgend möglich, zieht ſie ſi< vor jedem größeren Gegner zurü>; in die Enge getrieben, geht ſie ihm tollkühn zu Leibe und richtet ihre Schnabelſtöße mit ſo viel Geſchi>, Böswilligkeit und Schnelligkeit nah den Augen ihres Widerjachers, daß ſi ſelbſt der kluge Menſch ſehr in aht zu nehmen hat, wenn er von ihr nicht gefährlih verleßt werden ſoll. Die Gefangenſchaft ändert ihr Weſen niht; auch die jung aufgezogenen Rohrdommeln bekunden gelegentlich alle dieſe widerwärtigen Eigenſchaften. Fiſche, insbeſondere Shlammbeißer, Schleien und Karauſchen, Fröſche, Unken und andere Waſſerlurche verſchiedener Art, aber auh Schlangen, Eidechſen, junge Vögel und leine Säugetiere bis zur Größe von Waſſerratten bilden ihre Nahrung. Zuweilen frißt ſie faſt nur Egel, und zwar hauptſächlih die Pferdeegel, unbekümmert um deren ſcharfen Saugapparat und ohne ſie vorher zu töten. Sie jagt bloß des na<hts, aber von Sonnenuntergang bis zu Sonnenaufgang, bedarf viel zu ihrer Sättigung, bringt aber doh kaum merklihen Schaden, da ihre kurzen Beine die Jagd in tieferem Waſſer nicht geſtatten. Der abſonderlihe Paarungsruf der männlichen Rohrdommel, ein Gebrüll, das dem der Ochſen ähnelt und in ſtillen Nähten 2—3 km weit vernommen werden fann, iſt aus einem Vorſchlage und einem Haupttone zuſammengeſezt und klingt na<h der Naumannſchen Überſezung wie „üprumb“, Dabei vernimmt man, wenn man ſehr nahe iſt, noh ein Geräuſch, das lingt, als ob jemand mit einem Rohrſtengel auf das Waſſer ſ{hlüge. Ehe der Vogel ordentlih in Zug kommt, klingt ſein Lied ungefähr ſo: „ü ü prumb“, ſodann „ü prumb ü prumb ü prumb“. Zuweilen, aber ſelten, {ließt ſi< dem „Prumb“ noh ein „Vuh“ an. Zum Anfange der Begattungszeit brüllt das Männchen am fleißigſten, beginnt damit in der Dämmerung, iſt am lebendigſten vor Mitternacht, ſeßt es bis zu Ende der Morgendämmerung fort und läßt ſih zwiſhen 7 und 9 Uhr noh einmal vernehmen. Graf Wodzicki hat durch eine Beobachtung die uralte Angabe über die Art und Weiſe des Hervorbringens eines ſo ungewöhnlich ſtarken Lautes beſtätigt. „Der Künſtler“, ſagt er, „ſtand auf beiden Füßen, den Leib wagereht gehalten, den Schnabel im Waſſer, und das Brummen ging los; das Waſſer ſprißte immer auf. Nach einigen Noten hörte ih das Naumannſche ,Ü‘ und das Männchen erhob den Kopf, ſchleuderte ihn zurü>, fſte>te ſodann den Schnabel {nell ins Waſſer, und da erſchallte das Brummen, ſo daß ih erſhrak. Dies machte mir klax, daß diejenigen Töne, welche nur im Anfange ſo laut klingen, hervor: gebraht werden, wenn der Vogel das Waſſer tief in den Hals genommen hat und mit viel größerer Kraft hinausſchleudert als ſonſt. Die Muſik ging weiter, er ſ{hlug aber den Kopf niht mehr zurü>, und ih hörte auch die lauten Noten niht mehr. Es ſcheint alfo, daß