Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Rohrdommel: Weſen. Nahrung. „Brüllen“. Fortpflanzung. 499

dieſer Laut die höchſte Steigerung des Balzens iſt, und daß er ihn, ſobald ſeine Leidenſchaft befriedigt iſt, niht mehr wiederholt. Nah einigen Akkorden hebt er behutſam den Schnabel aus dem Waſſer und lauſcht; denn wie es mir ſcheinen will, kann er ſih nicht auf das entzücte Weibchen verlaſſen.“ Die Rohrdommel ſteht beim Balzen niht im dihteſten Rohre, ſondern vielmehr auf einem kleinen, freien Pläßchen; denn das Weibchen muß ihren Künſtler anſehen können. Das Geplätſcher, als ſhlüge jemand mit einem Nohrſtengel auf das Waſſer, verurſacht das Männchen mit dem Schnabel, indem es, wenn es laut wird, zwei- bis dreimal das Waſſer ſhlägt und dann endlih den Schnabel hineinſte>t. Andere Töne, wenn man ſo ſagen darf, Waſſertöne, ſind die, die durch mehr oder weniger übriggebliebene, herabfallende Waſſertropfen hervorgebracht werden. Das leßte dumpfe „Buh“, das man vernimmt, wird dur< das Ausſtoßen des no<h im Rachen befindlihen Waſſers beim Herausziehen des Schnabels hervorgebraht. Ein Männchen, das Wodzicki im Brummen ſtörte, flog auf und ſprißte einen ſoeben eingeſhlürften, ſehr beträhtlihen Waſſerſtrahl weit von ſich.

Unweit dex Stelle, von welcher man das Brüllen am häufigſten vernimmt, ſelbſtverſtändlih an einem möglihſt verborgenen und ſchwer zugänglichen Orte, in der Regel auf altem umgekni>ten Rohre über dem Waſſer, zuweilen auf Erdhügelchen oder kleinen Schilfinſelchen, ausnahmsweiſe als ſhwimmender Bau auh auf dem Waſſerſpiegel ſelbſt, ſteht das Neſt: bald ein ſehr großer, hoher, liederlih zuſammengeſchihhteter Klumpen, bald ein kleiner und etwas beſſerer, aus dürrem Nohre, Blättern, Seggen, Schilf, Waſſerbinſen und dergleichen beſtehender, innen mit alten Rohrriſpen und dürrem Graſe ausgelegter Horſt. Von Ende Mai an findet man das vollzählige Gelege, 3—5 eiförmige, ſtarkſchalige, glanzloſe Eier von 52 mm Längen-, 39 mm Querdurhmeſſer und blaß grünlichblauer Färbung. Das Weibcen brütet allein, wird aber währenddem mit Futter verſorgt und von Zeit zu Zeit mit Gebrüll unterhalten. Vor dem \ſih nahenden Menſchen entflieht es erſt, wenn er ſih bis auf wenige Schritt genaht hat; einen Hund läßt es no< näher herankommen. Nach 21 bis 23 Tagen entſ<hlüpfen die Jungen, werden von der Mutter noh einige Tage gewärmt und in Gemeinſchaft mit dem Vater geaßt. Ungeſtört verweilen ſie bis zum Flüggeſein im Neſte, geſtört, entſteigen ſie ihm, noch ehe ſie fliegen lernen, und klettern im Nohre auf und ab. - Wenn ſie ihre Jagd betreiben können, vereinzeln ſie ſih und ſtreifen bis zum Zuge im Lande umher.

Jn Deutſchland erregt die Rohrdommel namentli<h an Orten, wo ſie ſih niht regelmäßig ſehen läßt, dur< ihr Brüllen die Aufmerkſamkeit, falls niht abergläubiſche Furcht der Leute; ſie wird hier niht regelmäßig, aber eifrig gejagt. Fn Griechenland oder in Südeuropa überhaupt ſtellt man ihr des Fleiſches wegen nach, das troß des thranigen, für uns höchſt widrigen Geſhma>es gern gegeſſen wird.

ES

Wenn man ſi<h zur Winterzeit an einem der ägyptiſchen Seen aufhält, ößt man hier und da auf dite Bäume, die mit einer zahlreihen Geſellſhaft von Reihern beſegzt ſind. Dieſe erwählen ſi< gern die Sykomore vor oder in den Dörfern zum Ruheplaßze. Hier ſien ſie während des ganzen Tages, den Hals tief zuſammengezogen, mit geſchloſſenen Augen, ohne Bewegung, und erſt, wenn der Abend ſih naht, beginnt einer und der andere ſih zu regen. Dieſer öffnet die Augen zur Hälfte, dreht den Kopf ein wenig ſeitwärts und blinzelt zur Sonne empor, gleihſam, um nachzuſehen, wie hoh dieſe noh am Himmel ſteht, der andere neſtelt ſih im Gefieder herum, der dritte trippelt von dem rehten auf das linke Bein, der vierte ſtre>t den Flügel: kurz, es kommt Leben in die Geſellſchaft. Mittlerweile ſinkt die Sonne hinab, und die Dämmerung briht ein. Jetzt ermuntern ſich die Schläfer,

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