Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

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Nachtreiher: Verbreitung. Lebensweiſe. Stimme. Fortpflanzung. 501

vor dem Niederſeßen bemerkt man auh wohl ein kurzes Schweben. Jn der Regel zeigt ſich der Nachtreiher jeder ſ{hnellen Bewegung abhold, denn unfähig iſ er einer ſolchen durchaus niht. Eine Fertigkeit beſit er in hohem Grade: er kann vortrefflich klettern und bewegt ſih demgemäß im Gezweige der Bäume faſt mit derſelben Gewandtheit wie die Zwergreiher, die als die eigentlichen Kletterkünſtler der Familie bezeichnet werden müſſen. Die Stimme iſt ein rauher, auf weithin vernehmbarer Laut, der allerdings an das Krächzen der Raben erinnert und zu dem Namen Nachtrabe Veranlaſſung gegeben hat. Sie mit Buchſtaben auszudrü>en, iſt ſ{<wer, da man ebenſogut ein „Koa“ wie „Koau“/ oder „Koei“ zu hören glaubt. Eigentlich heu kann man ihn niht nennen, obwohl er immer eine gewiſſe Vorſicht bekundet. Aber man trifft gewöhnlich au< nur bei Tage mit ihm zuſammen und hat dann eben einen ſchlafenden oder doh ſ<läfrigen Vogel vor ſich. Dieſer läßt in der Regel den Jäger bis unter den Baum kommen, auf welchem er ruht, und entſchließt ſich, zumal an Orten, wo er dur die Gutmütigkeit des Menſchen verwöhnt wurde, auch dann niht immer zum Auffliegen. Derſelbe Vogel zeigt ſih, wenn die Nacht hereinbriht, munter und regſam, wenn auh niht gerade ſehr lebendig und dabei unter allen Umſtänden vorſichtig, weicht furhtſam jedem Menſchen aus, welcher ſih ihm nähert, und wird, wenn er ſih verfolgt ſieht, ungemein ſcheu. Seine Fiſcherei betreibt er ungefähr in derſelben Weiſe wie die Tagreiher, jedenfalls vollkommen lautlos. Fn einer Hinſicht unterſcheidet er ſih von vielen ſeiner Verwandten: er iſt entſchieden geſelliger als ſie, mindeſtens ebenſo geſellig wie der Kuhreiher. Allerdings trifft man in Nordoſtafrika zuweilen auch einzelne Nachtreiher an, in der Regel jedoh ſtets Geſellſchaften, und zwar ſolche, welche nah Hunderten zählen, größere, als ſie irgend ein anderer Reiher eingeht; und wenn man die Vögel des Nachts beobachtet, muß man ſehr bald bemerken, wie ihr beſtändiges Schreien und Krächzen zur Folge hat, daß immer neue Zuzügler ſih dem Schwarme anſchließen.

Das Brutgeſchäft fällt in die Monate Mai bis Fuli. Um dieſe Zeit bezieht der Vogel entweder mit Verwandten gewiſſe Reiherſtände oder bildet ſelbſt Siedelungen. Fn Holland muß er ſehr häufig brüten, weil man von dort aus alljährlih lebende Junge erhalten kann; in Deutſchland niſtet er ſelten, wahrſcheinlih aber doh häufiger, als wir meinen. So fand Wi>e im Jahre 1863 eine von ihm geſchilderte Siedelung in der Nähe von Göttingen. Auf den ungariſchen Reiherſtänden iſt er ſtets zahlreich vertreten: Baldamus zählte auf einer einzigen, mäßig großen Weide unter 16 Reiherneſtern 11 des Nachtreihers. Seine Neſter werden in der Regel in der Mitte der Wipfel auf Gabeläſten angelegt oder auh auf den Rand von Fiſchreiherneſtern geſtüßt. Höhere Bäume zieht er den niederen vor, ohne jedoch beſonders wähleriſch zu ſein. Der Horſt iſt verhältnismäßig nachläſſig gebaut, außen von tro>œenem Gezweige nah Art eines Krähenneſtes zuſammengeſchichtet, innen mit tro>enen Shcilf- oder Riedblättern ſparſam ausgelegt. Vor Anfang Mai findet man auch in Südungarn ſelten Eier in den Neſtern, zu Ende des Monats hingegen ſind faſt alle mit 4—5 Stück belegt. Die grünen Eier, deren Längsdurchmeſſer etwa 55 und deren Querdurhmeſſer 40 mm beträgt, ſind ſehr längli<h und auffallend dünnſchalig. Wahrſcheinlich .brütet nur das Weibchen; wenigſtens ſcheint dies bei Tage zu geſchehen. Die Männchen ſißen, nah den Beobachtungen von Baldamus, ungeſtört in der Nähe des brütenden Weibchens, haben

“aber auh no< gewiſſe Sammelpläze, zu welchen ſie ſih begeben, wenn ſie behelligt wer-

denz denn es tritt nur auf Augenbli>e vollkommene Ruhe ein. „Wenn kein Räuber ſie aufſtörte“, berichtet genannter Forſcher, „fanden ſie untereinander Anlaß genug, ſih gegenſeitig zu ne>en, ſchreiend zu verfolgen und zur Wehr zu ſeßen. Dies geſchah größtenteils ſteigend. Sie erſchienen dabei oft in ſonderbar lächerlihen Stellungen und ſchrieen beſtändig. Während nämlich das brütende Weibchen oft ein Reis oder dergleichen von einem nachbarlihen Neſte ſih zueignete und ſchreienden Widerſtand erfuhr, fiel es vielleiht dem