Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

532 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; achte Familie: Fbiſſe.

Feinden haben Alte und Junge wenig zu leiden; auch der Jäger läßt ſie meiſt unbehelligt, obgleih ihr ſhmachaftes Fleiſch die Jagd wohl belohnen würde. Um ſo eifriger iſt man bedacht, ſie zu zähmen, da die gefangenen ſi< ni<t nux bald an den Menſchen gewöhnen, ſondern, dank ihres Verſtandes und ihrer Liebenswürdigkeit, dieſen auch jederzeit aufs höchſte erfreuen. x

Der lange, bogenförmige, verhältnismäßig dünne Schnabel, der mittellange Fuß, der ziemlich breite, abgerundete Flügel, in welchem die zweite und dritte Schwinge die längſten ſind, der verhältnismäßig kurze Schwanz und die dichte Befiederung, die nur den Zügel unbekleidet läßt, kennzeichnet die Sichler (Plegadis), die in Europa dur den Sichler, auch Sichelſhnabel, Sichelreiher oder Shwarzſchnepfe genannt (Plegadis falcinellus, Falcinellus rufus und igneus, Scolopax rufa und guarauna, Tringa autumnalis, Numenius autumnalis, viridis, castaneus, igneus und chili, Tantalus falcinellus, manillensis, bengalensis, mexicanus und chalcopterus, Ibis sacra, fuscata, castanea, cuprea, peregrina, erythrorhyncha, brevirostris und ordi), vertreten werden. Das Gefieder iſt auf Hals, Bruſt, Bauch, Schenkel und dem Oberteile der Flügel kaſtanienbraunrot, auf dem Scheitel dunkelbraun mit rotem Schimmer, auf dem Rü>en \{<warzbraun mit violettem oder grünlichem Schiller; ebenſo ſehen die Shwung- und Steuerfedern aus. Das Auge iſt braun, der na>te Augenkreis grüngrau, der Schnabel ſ{<mußig dunkelgrün, der Fuß grüngrau. Jm Winterkleide ſind Kopf, Vorder- und Hinterhals ſ{hwarz, nah untenhin lichter, alle Federn ſeitlih weiß geſäumt; der übrige Oberkörper iſt kupferfarben und grün untereinander gemiſcht, der Unterkörper vom Kopfe an braungrau. Die Länge beträgt 60, die Breite 98, die Fittichlänge 35, die Shwanzlänge 9 cm.

Alle fünf Erdteile beherbergen den Sichler. Fn Europa bewohnt er die Donautiefländer, Rußland und das ſüdliche Polen, einzeln au<h Süditalien, Südfrankreich und Spanien; in Aſien kommt er in allen Ländern ums Kaſpiſhe und Schwarze Meer, in Anatolien, Perſien, Syrien und ganz Fndien vor; in Afrika niſtet er an den nördlichen Strandſeen, vielleicht auh in der Mitte, dem Weſten und Südoſten des Erdteiles, wohin er regelmäßig wandert; in Auſtralien tritt er an geeigneten Orten allenthalben auf; in Amerika iſt er vom 46. Grade nördlicher Breite bis zum 40. Grade ſüdlicher Breite beobachtet worden. Von Ungarn und Rußland aus haben ſi< einzelne nah Schleſien, Anhalt, Braunſchweig und anderen deutſchen Ländern verflogen; ja es iſt vorgekommen, daß ſolhe Jrrlinge bis nah Ssland verſhlagen wurden. Jn Ägypten hält ſich der Sichler, wie ih annehmen darf, jahr aus jahrein in derſelben Gegend auf; in Ungarn gehört er zu den Zugvögeln, die regelmäßig Ende April oder Anfang Mai ankommen und im Auguſt, ſpäteſtens im September wegziehen. Hier beherbergen ihn alle geeigneten Örtlichkeiten an der unteren Donau, Sau oder Drau, und zwar die großen Sumpflandſeen und Teiche, die von jenen Flüſſen aus zeitweilig überflutet werden. Strandſeen und Brüche oder ſ{hlammige Sümpfe, auh Moräſte werden bevorzugt; in ihrer Nähe oder in ihnen ſelbſt brütet er. Die Flüge, die eine gewiſſe Gegend bewohnen, ſcheinen ihren Aufenthalt zu we<ſeln und von einem Sumpfe zum anderen zu ſhweifen. Dasſelbe gilt für die Winterzeit, während die Fortpflanzung ſelbſtverſtändlih an einen Ort bindet.

Bei ruhigem Gange trägt der Sichler den Hals ziemlich eingezogen, S-förmig zuſammengebogen, den Leib vorn aufgerichtet, den Schnabel gegen die Erde geneigt, der Gang ſelbſt geſchieht mit leiten, großen Schritten, deren Eile und Weite ſich unter allen Umſtänden gleichzubleiben ſcheint. Beim Nahrungſuchen watet er gern in tieferem Waſſer umher, und wenn es ihm behagt, ſ{hwimmt er, auch ohne eigentlich genötigt zu ſein, von einem Inſelchen nah dem anderen. Jm Fliegen ſtre>t er den Hals und die Füße geradeaus und