Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Sichler: Verbreitung, Flugordnung. Stimme. Weſen. Nahrung. 533

ſchlägt die Flügel ziemlich ſchnell, in niht weit ausholenden Schwingen, ſchwebt hierauf mit ſtillgehaltenen Flügeln gerade fort und gibt ſih durch erneuerte Flügelſhläge wiederum einen Antrieb. Höchſt ſelten ſieht man einen dieſer Vögel allein, faſt ausnahmslos vielmehr eine ziemlihe Anzahl gemeinſam dahinfliegen, ſtets hoh über dem Boden und die ganze Schar in einen ſtumpfen Keil, öfter no< in eine einzige lange Linie geordnet, die ihrer ganzen Breite nah ſo dicht nebeneinander fortzieht, daß ſih die Schwingenſpißen der einzelnen faſt zu berühren ſeinen, und die, wie Naumann ſehr rihtig ſagt, in den anmutigſten, ſ{längelnden Bewegungen fortrü>t. „Es gewährt einen herrlihen Anbli>, eine lange Shnur ſolcher Vögel die Luft durchſchneiden zu ſehen. Wie ein fadenfliegender Sommer, den ein leiſer Lufthauch quer forttreibt, ſ{heinen ſie dahinzuſhweben; nicht ſtreng in gerader Linie, ſondern in anmutigſten, mannigfaltigſten, ſanft auf und ab ſteigenden, alle Augenbli>e veränderten Bogen ſchlängelt ſie ſih dur<h die Lüfte fort, indem ſih bald die Mitte, bald das eine, bald das andere Ende oder die Räume zwiſchen dieſen ſenken oder erheben, etwas voreilen oder zurü>bleiben, ſo daß die Linie wellen- oder wogenförmig fortwährend abwecſelt, dabei jedoch ſtets geſchloſſen und jeder einzelne Vogel mit dem neben ihm fliegenden in derſelben Richtung bleibt. Wenn ein ſolcher Zug ſih niederlaſſen und Halt machen will, dann erſt zerreißt der lange Faden in Stücke; dieſe löſen ſich auf, die einzelnen Vögel fliegen durcheinander, fangen an zu ſ{<weben, ſih in Kreiſen zu drehen oder einzelne Schne>enlinien zu beſchreiben, und ſtürzen ſi<h nun mit ſauſendem Hin- und Herſhwenken einzeln oder doh nicht alle in demſelben Augenbli>e, aber raſh einander folgend und ein jeder auf ſeine eigne Weiſe hernieder. Beim Bilden einer ſolchen Linie ſteigen die Sichler auf, erheben ſih in Kreiſen höher und höher, fangen an fortzurü>en, und ehe man es ſih verſieht, wird aus dem unordentlihen Haufen der Anfang einer Querlinie, der ſih zu beiden Seiten nah und nah, aber ſehr ſ<hnell, die übrigen Vögel anſchließen, und ſowie der Zug fortrüt, ſieht man immer noch bald an dieſem, bald an jenem Ende andere Wanderungsluſtige ſi<h anreihen und ſo die Schnur verlängern.“ Die Stimme iſt ein heiſerer, wenig hörbarer Laut, der wie „rah“ klingt und nur auf ganz kurze Entfernung hin vernommen wird. Von den Fungen hört man zuweilen, aber ebenfalls ſelten, noh ein eigentümlihes Ziſchen.

Auch die Sichler gehören zu den Élugen oder verſtändigen Mitgliedern ihrer Familie. Sie bekunden ſcheinbar würdigen Ernſt, ſind aber in Wirklichkeit fröhliche, ja ſogar übermütige Geſchöpfe, die eine gewiſſe Ne>luſt zeitweilig offenbaren und ſie niht bloß untereinander, ſondern auh anderen Vögeln gegenüber bethätigen. An Vorſicht und Scheu ſtehen ſie den übrigen Sumpfvögeln niht na<h. Da, wo ſie ſi< anſäſſig gemacht haben oder au< nur zeitweilig aufhalten, lernen ſie ſehr bald die gefährlihen Menſchen von den harmloſen unterſcheiden. Am Menſalehſee flogen diejenigen, welhe ih beobachten konnte, von dem Schlafplaße aus ſtets in bedeutender Höhe nah Stellen in den Sümpfen, welche die Annäherung eines Feindes erſhwerten oder ihnen doh freie Ausſicht geſtatteten, trieben ſich hier während des Tages umher und kehrten erſt mit Einbru<h der Dämmérung nah den Ruhepläßen zurü>, regelmäßig nah Bäumen, die auf Jnſeln inmitten des Sees oder der ihn umgebenden Sümpfe ſelbſt ſtanden, oder doch ſonſt ſchwer zugänglich ſchienen. An den einmal gewählten Sthlafpläßen hingen ſie freilih mit ſolcher Vorliebe, daß man nur unter ihnen anzuſtehen brauchte, um reihliher Beute gewiß zu ſein, ja daß ſelbſt wiederholte Schüſſe, die unter ihnen das höchſte Entſezen hervorriefen, ſie niht zu vertreiben im ſtande waren. Troß ihrer Vorſicht habe ih übrigens niemals beobachtet, daß auch ſie ſih zu Warnern und Leitern des Kleingeflügels aufgeſhwungen hätten.

Je nah der Örtlichkeit und Jahreszeit nährt ſih der Sichler von verſchiedenem Getier. Während des Sommers ſcheinen Kerbtierlarven und Würmchen aber auh