Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

596 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; achte Familie: Jbiſſe.

ſchwarz geränderten und ſhwarz zugeſpißten Schwingen. Nach der erſten Mauſer erhalten die Jungen die zerſchliſſenen Schulterfedern; Kopf und Hals bleiben aber noch befiedert: die Kahlheit dieſer Stellen zeigt ſi< erſt im dritten Lebensjahre. Bei alten Vögeln beträgt die Länge 75, die Breite 130, die Fittihlänge 35, die Schwanzlänge 16 cm.

Auffallenderweiſe beſucht der Zbis gegenwärtig Ägypten niht mehr, wenigſtens nicht mehr regelmäßig, und wohl nur in Ausnahmefällen ſchreitet er hier zur Brut. Als Bote und Verkündiger des ſteigenden Nils tritt er erſt im ſüdlichen Nubien auf. Unterhalb der Stadt Muchereff (18 Grad nördlicher Breite) habe ih nie einen beobachtet; {hon bei Chartum aber brüten einige Paare, und weiter ſüdlich gehört er zu den gewöhnlihen Erſcheinungen. Die eigentlihen Grenzen ſeines Verbreitungsgebietes ſind noh niht feſtgeſtellt; am oberen Kongo, am Stanleypool, ſah ihn Pehuel-Loeſche im September. Jm Sudan trifft er mit Beginn der Regenzeit, alſo Mitte oder Ende Juli ein, brütet und verſchwindet mit ſeinen Jungen nach 3 oder 4 Monaten wieder, ſcheint aber niht weit zu ziehen, vielleiht nur zu ſtreichen. Sofort nach ſeiner Ankunft im Lande bezieht er ſeine ſtets äußerſt ſorgfältig gewählten Brutpläße. Von ihnen aus unternimmt er längere oder kürzere Ausflüge, um Nahrung zu ſuchen. Man ſieht ihn paar- oder geſellſchaftsweiſe in der Steppe umherlaufen und hier Heuſchre>en fangen, bemerkt ihn an den Ufern der Ströme oder Regenteiche und ſehr häufig auch, meiſt in Geſellſchaft des kleinen Kuhreihers, unter Viehherden, unbekümmert um deren Hirten, wie überhaupt um die Eingeborenen, vor welchen er nicht die geringſte Furcht zeigt. Seine Haltung iſt würdevoll, der Gang gemeſſen, nur ſchreitend, nie rennend, der Flug ſehr leicht und ſchön, dem des Sichlers ähnlich, die Stimme der Alten ein ſ{hwaches „Krah“ oder „Gah“. Die geiſtigen Fähigkeiten werden ſ<werli< von irgend einem anderen Sumpfvogel übertroffen.

Auf einer Reiſe in die Urwälder des Blauen Nils die ih auf dieſem ſelbſt zurü: legte, traf i< am 16. und 17. September eine ſol<he Menge der heiligen Vögel an, daß wir in der kurzen Zeit von 2 Tagen über 20 Stü erbeuten konnten. Flug auf Flug fam von dem gegenüberliegenden Walde herübergezogen, um in der Steppe Heuſchre>en, die damals die ausſ<ließlihe Nahrung ausmachten, zu fangen. Nachdem ih aus einem der vorüberziehenden Flüge erſt einen Jbis herabgeſchoſſen hatte, wurde es mir nicht ſ{<wer, andere zu erbeuten. Auf Anraten meines braunen Dieners brachte ih den getöteten mit Hilfe einiger Stäbchen in eine aufrechte Lage und machte ihn dadurh zum Lockvogel für die übrigen. Jeder Zug, der ſpäter vorüberkam, hielt an, um den ſcheinbar lebenden Geſährten zu betrachten, und wurde mit Schüſſen begrüßt, deren Erfolg bei der geringen Entfernung au3gezeihnet war. Sehr bald lernten wir einſehen, daß wir niht nur uns, ſondern mit Ausnahme des Lovogels auch die getöteten Jbiſſe verſteden mußten, um das Mißtrauen der übrigen zu verſcheuchen.

Erſt ſpäter wurde uns der Grund dieſer Zuſammenhäufungen klar. Der gegenüberliegende Wald war teilweiſe überſ<hwemmt und von den klugen Vögeln deshalb zum Niſtplaße erwählt worden. Zu den Neſtern zu gelangen, war unmöglih. Jh bot 2 Mark unſeres Geldes für jedes Ei: keiner der Sudaneſen konnte das Geld verdienen. Der Boden des Waldes war grundlos, das Waſſer aber ſo ſeiht, daß ein Kahn ebenfalls niht gebraucht werden konnte. Früher hatte ih eine andere Niſtanſiedelung beſu<ht, die unter ähnlichen Umſtänden angelegt, aber doh zugänglih war. Sie befand ſi auf einer kleinen, mit hohen Mimoſen beſtandenen FJnſel des Weißen Nils, die beim Steigen des Stromes unter Waſſer geſeßt, aber ſo hoh überſ<hwemmt wurde, daß man vom Boote aus die Bäume beſteigen konnte. Hier beobachtete ih, daß der heilige Jbis eine Mimoſenart, die die Araber der dihten, ungemein dornigen, ja faſt undurchdringlichen Äſte halber „Haraſi“, d. h. die ſih ſhüßende, nennen, jeder anderen vorzieht. Aus den Zweigen der Haraſi