Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Jbis: Verbreitung. Stimme. Fortpflanzung. Nahrung. Gefangenleben. 537

beſtand au< das flache Neſt des Vogels; nur das Fnnere der Mulde war mit feinen Reiſern und einzelnen Grashalmen ausgelegt, das Ganze aber fkunſtlos zuſammengeſchichtet, faum beſſer ausgeführt als das der Ningeltaube. Ein Neſt ſtand neben dem anderen; aber ſtets waren die dornigſten Äſte zu deſſen Aufnahme erwählt worden. Das Gelege zählt 3—4 weiße, ziemli<h rauhkörnige Eier, die Enteneiern an Größe ungefähr gleihkommen.

J<h halte es für glaublih, daß der Fbis wirklich kleine Schlangen verzehrt, bin jedoch der Meinung, daß er ſih mit größeren und gefährlichen nicht einläßt, Während der Regenzeit beſteht ſeine Nahrung, wenn nicht ausſ<hließlih, ſo doh vorzugsweiſe aus Kerbtieren. Jn dem Magen der erlegten fanden wir entweder Heuſchre>en oder Käfer verſchiedener Art, insbeſondere Dungkäfer; an den gefangenen beobachteten wir, daß ſie vorgeworfene kleine Lurche niht verſhmähten, Kerfe aber vorzogen. Hartmann gibt an, daß der Fbis auch kleine Süßwaſſerweichtiere frißt. So ungefüge der Schnabel zu ſein ſcheint, ſo geſchi>t weiß der Vogel ihn zu gebrauchen. Er nimmt mit ſeiner Spibe die kleinſten Kerbtiere von der Erde auf und ſtreift, indem er förmlich ſhnattert, von den Gräſern die daran ſißenden Kerfe mit größter Gewandtheit ab. „Nichts ſieht poſſierlicher aus“, ſagt Hartmann, „als wenn ein Jbis Heuſchre>en fängt. Der Stelzvogel fährt mit dem Sichelſchnabel auf die ruhig daſißenden Geradflügler ein; ſpringen dieſe aber, die Gefahr noch retzeitig merkend, davon, ſo hüpft auh Freund Jbis hinterher, ſtellt ſih dabei jedo<h des hochſperrigen Graſes wegen nicht ſelten ziemlih ungeſchi>t an; dennoch läßt ex niht ab, und hat ex endlich eine oder die andere erwiſcht, ſo zermalmt und verſhlu>t er ſie ſofort.“

Junge Jbiſſe, die wir auffütterten, wurden zunächſt mit rohen Fleiſchſtücken geſtopft, fraßen dieſes Futter auh ſehr gern. Sie bekundeten ihren Hunger dur ein ſonderbares Geſchrei, das man ebenſowohl dur<h „zi> zi> zi“ wie dur<h „tirrr tirrr tirrr“ wieder: geben fann, zitterten dabei mit dem Kopfe und Halſe und ſ{hlugen auh wohl heftig mit den Flügeln, gleihſam in der Abſicht, ihrem Geſchrei größeren Nachdru>k zu geben. Bereits nah wenigen Tagen nahmen ſie das ihnen vorgehaltene Futter aus der Hand, und im Verlaufe der erſten Woche fraßen ſie bereits alles Genießbare. Das Brot, das wir ihnen reichten, trugen ſie regelmäßig na<h dem Waſſer, aus welchem ſie überhaupt am liebſten Nahrung nahmen, und das ſie beſtändig nah Art der Enten dur<hſhnatterten. Ebenſo durhſuhten ſie auh die feinſten Rißen und alle Löcher, faßten die dort verborgenen Tiere geſchi>t mit der Schnabelſpiße, warfen ſie in die Luft und fingen ſie ſicher wieder auf. Heuſchre>en waren auch ihre Lieblingsſpeiſe.

Vom erſten Tage ihrer Gefangennahme an betrugen ſi dieſe Jungen ſtill, ernſt und verſtändig; im Verlaufe der Zeit wurden ſie, ohne daß wir uns viel mit ihnen beſchäftigten, zahm und zutraulih, kamen auf den Ruf herbei und folgten uns \{<ließli<h dur< alle Zimmer des Hauſes. Wenn man ihnen die Hand entgegenſtre>te, eilten ſie ſofort herbei, um ſie zu unterſuchen; dabei pflegten ſie ſi< dann wieder zitternd zu bewegen. Jhr Gang war langſam und gemeſſen; doh führten ſie, ehe ſie no<h recht fliegen konnten, zuweilen hohe und geſchi>te Sprünge aus, in der Abſicht, ihre Bewegung zu beſchleunigen. Auf den Ferſen ſaßen ſie ſtundenlang. Da ſie anfangs jeden Abend in einen Kaſten geſperrt wurden, gingen ſie ſpäter beim Anbruche der Nacht lieber ſelbſt hinein, als daß ſie ſih treiben ließen, obgleih ihnen das beſ<hwerli< fiel. Am Morgen kamen ſie mit freudigem Geſchrei hervor und durhmaßen den ganzen Hofraum. Fm Oktober hatten ſie fliegen gelernt und erhoben ſi< jeßt erſt bis auf die niedrige Hofmauer, ſpäter bis auf das Dach; ſ<ließlih entfernten ſie ſi< auf 200 oder 300 Schritt von unſerem Gehöfte, kehrten aber ſtets nach furzer Zeit wieder zurü> und verließen von nun an den Hof niht mehr, ſondern beſuchten höchſtens den benahbarten Garten. Wenn es gegen Mittag heiß wurde, verfügten ſie ſich in die ſchattigen Zimmer, ſeßten ſich auf die Ferſen nieder und ho>ten oft mit ernſtem