Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

538 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; ahte Familie: Jbiſſe.

Geſichte in einem Kreiſe, als ob ſie Beratung halten wollten. Zuweilen ſtellten ſih auch zwei von ihnen einander gegenüber, ſträubten alle Kopffedern, ſchrieen unter beſtändigem Kopfni>en und Schütteln, oft auh Flügelſhlägen jezt wie kek kek kek“ und ſchienen ſich gegen ſeitig zu begrüßen. Vor unſerer Mittagsmahlzeit beſuchten ſie regelmäßig die Küche und baten und bettelten den Koch ſo lange an, bis er ihnen etwas zuwarf. Der glückliche, der es erhaſchte, wurde von den anderen verfolgt, bis er ſeine Beute in Sicherheit gebracht, d. h. ſie hinabgeſ<lungen hatte. Sobald ſie Teller in unſer Eßzimmer bringen ſahen, verſammelte ſich die ganze Geſellſchaft daſelbſt; während wir aßen, ſaßen ſie wartend nebenan; wenn wix aber den Vli> nach ihnen wandten, hüpften ſie bald auf die Kiſte, bald auf den einzigen Stuhl, den wir beſaßen, und nahmen uns die Brotſtücke aus den Händen oder vom Teller weg. Eine höchſt ſonderbare Gewohnheit von ihnen war, ſich gern auf weihe Gegenſtände zu legen. Kam eins der aus Lederriemen geflo<tenen, federnden Bettgeſtelle, wie ſie im Sudan üblich ſind, auf den Hof, ſo lagen die Jbiſſe gewiß in kurzer Zeit darauf, und zwar platt auf dem Bauche, die Ständer nah hinten ausgeſtre>t. Sie ſchienen ſich dabei äußerſt behaglich zu fühlen und ſtanden niht auf, wenn ſi<h jemand von uns näherte.

Mit allen übrigen Vögeln, die auf dem Hofe lebten, hielten ſie gute Freundſchaft, wurden wenigſtens ihrerſeits niemals zu Angreifern; unter ſi zankten ſie ſi< nie, waren vielmehr ſtets beiſammen, entfernten ſih ſelten weit voneinander und ſchliefen nachts einer dicht neben dem anderen. Als wir eines Tages einen flügellahm geſchoſſenen älteren Vogel ihrer Art in den Hof brachten, eilten ſie freudig auf ihn zu, nahmen ihn förmlich in ihre Geſellſchaft auf und wußten ihm bald alle Furcht zu benehmen, ſo daß ex nah kurzer Zeit ebenſo zutraulih war wie ſie. Große Hive ſchien ihnen ſehr unangenehm zu ſein: ſie ſaßen dann in irgend einem ſchattigen Winkel oder im Zimmer und ſperrten ticf atmend die Schnäbel auf. Jm Waſſer beſchäftigten ſie ſih, wie ſhon bemerkt, gern und viel badeten ſi< übrigens ſeltener, als man glauben möchte; wenn es jedoh geſhah, näßten ſie ſih das Gefieder ſo vollſtändig ein, daß ſie kaum noch fliegen konnten.

Jhiſſe, die ih ſpäter beobachtete, lebten ebenfalls in ziemlihem Frieden mit allen Vögeln die dasſelbe Gehege mit ihnen teilten, maßten ſi<h aber doh gegen {<hwächere eine gewiſſe Oberherrſchaft an und ſchienen ein Vergnügen daran zu finden, diejenigen, welche es ſih gefallen ließen, zu ne>en. Namentlich mit den Flamingos machten ſie ſich fortwährend zu ſchaffen, und zwar in der ſonderbarſten Weiſe. Sie ſ{<lihen, wenn jene zuſammenſtanden oder, den Kopf in die Federn verborgen, ſchliefen, leiſe heran und fknabberten mit der Schnabelſpiße an den Schwimmhäuten der Opfer ihres Übermutes herum, gewiß mit in der Abſicht zu beißen, ſondern nur aus reiner Ne>luſt. Der Flamingo mochte dann einen ihm läſtigen Kigel verſpüren, entfernte ſich, ſah ſih fur<htſam nah dem Fbis um und verſuchte wiederum einzuni>en; dann aber war jener flugs wieder zur Stelle und begann das alte Spiel von neuem. Am läſtigſten wurde ex, wenn er mit den Flamingos das Winterzimmer teilte und die Armen ihm nicht entrinnen konnten. Brachvögel,/ UÜferſchnepfen und Auſternfiſcher räumen den Fbiſſen willig das Feld und warten gar nicht erſt, bis dieſe durh Schnabelhiebe ſie hierzu nötigen.

Zur Zeit der alten Ägypter haben die heiligen Vögel höchſt wahrſcheinlih im Zuſtande einer Halbgefangenſchaſt ſih fortgepflanzt; heutzutage thun ſie dies bei guter Pflege niht allzu ſelten in unſeren Tiergärten.

Jm Sudan ſtellt man dem Jbis nicht nach, obgleich ſein ſhmachaftes Fleiſch die Jagd wohl belohnen würde. Ein zufällig gefangener Jbis wird übrigens von den Eingeborenen gern gegeſſen und von den freien Negern außerdem noh ſeiner zerſchliſſenen Federn beraubt, weil dieſe den Kriegern jener Stämme zu einem beliebten Kopfſ<hmu>e dienen.