Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Jbis. Löffler. 539

Die Löffelreiher (Plataleinae), welche die zweite, über beide Erdhälften verbreitete Unterfamilie mit nur ſe<s Arten bilden, ſind größere und kräftigere Vögel als die Jbiſſe. Jhr Schnabel iſ lang, ziemlich gerade, niedrig, nah vorn ungemein abgeplattet und ſpatelförmig verbreitert, das abgerundete Ende des Oberſchnabels in einen unbedeutenden Nagel herabgehoben, die Fnnenſeite der Kiefer mit Längs8riefen verſehen, der Fuß kräftig, ziemlich lang, ſeine drei Vorderzehen am Grunde dur verhältnismäßig breite Spannhäute verbunden, die Nägel ſtumpf und klein, der Flügel groß und breit, unter den Schwingen die zweite die längſte, der zwölffederige Schwanz kurz und etwas zugerundet. Das Kleingefieder, das ſi dur ſeine Dichtigkeit und Derbheit auszeichnet, verlängert ſih zuweilen am Hinterhalſe zu einem Schopfe und läßt die Gurgel, in der Regel auch einen Teil des Oberkopfes, unbekleidet. Die Färbung pflegt eine ſehr gleihmäßige zu ſein und unterſcheidet ſi< weder nah dem Geſchlehte noh nach der Jahreszeit, wohl aber einigermaßen nach dem Alter.

Der Schädel iſ ſ{hön gewölbt und abgerundet, am Muſchelteile des Oberkiefers ſtark blaſig aufgetrieben; die Wirbelſäule beſteht aus 16 Hals-, 7 Nüen- und 7 Shwanzwirbeln ; das Bruſtbein iſ ziemlich breit, ſein Kiel mäßig ſtark; der Hintergrund zeigt zwei ſehr tiefe, häutige Buchten; die rundlich ausgeſhweiften und geſpreizten Gabelbeine verbinden ſi niht mit dem Kiele des Bruſtbeines; die Oberarmbeine nehmen Luft auf; die Zunge iſt kuxz und breit, der Magen muskelig, die Luftröhre in eine tief nah unten ſih herabſenkende Schlinge ausgebogen.

Fn Holland, den Donautiefländern, Südeuropa, ganz Mittelaſien, ſelbſt Mittelindien noch, ſowie auf den Kanariſchen Fnſeln und Azoren lebt und brütet der Löffler, Löffelreiher, Shufler, die Löffel- oder Spatelgans (Platalea leucero dia, nivea und pyrrhops, Platea leucerodia und leucopodius), der uns die Lebensweiſe ſeiner Unterfamilie und Gattung (Platalea) kennen lehren mag. Er iſt, mit Ausnahme eines gelb: lichen Gürtels um den Kopf, rein weiß, das Auge karminrot, der Schnabel ſhwarz, an der Spitze gelb, der Fuß ſ{hwarz, der Augenring gelblichgrün, die Kehle grünlichgelb. Das Weibchen unterſcheidet ſih dur etwas geringere Größe, der junge Vogel durch den Mangel des Federbuſches und des gelben Bruſtgürtels. Die Länge beträgt 80, die Breite 140, die Fittichlänge 44, die Schwanzlänge 13 cm.

Auffallenderweiſe iſt der Löffler, der auf ſeinem Zuge regelmäßig Griechenland berührt, dort no< niht als Brutvogel bemerkt worden, und ebenſowenig ſcheint er in Fndien, Südfrankreih und Spanien der Fortpflanzung obzuliegen. Radde fand ihn in den Teilen Sibiriens, die er beſuchte, und ſtellte feſt, daß er im ganzen ſüdlichen Sibirien, mit Ausnahme der mittleren, hochgelegenen Gebiete, gefunden wurde; wir ſahen ihn am Alakul in Turkiſtan; Swinhoe lernte ihn als Wintergaſt Südchinas, Ferdon als einen regelmäßigen Bewohner Jndiens kennen; ich traf ihn häufig an den Seen Ägyptens und ſüdlih bis Derr in Nubien. Einzelne haben ſi< weit nah Norden verflogen und ältere Naturforſcher zu der Anſicht verleitet, daß die Art eigentli<h dem Norden angehöre, während wir jeßt annehmen dürfen, daß das regelmäßige Vorkommen unſeres Vogels in Holland als in jeder Hinſicht auffallend erſcheinen muß.

Fn Jndien oder Südaſien überhaupt und in Ägypten gehört der Löffler wahrſcheinlih unter die Standvögel; in nördlicheren Ländern erſcheint er mit den Störchen, alſo im März und April, und verläßt das Land im Auguſt und September wieder. Er wandert bei Tage, meiſt in einer langen Querreihe, ſcheint aber niht beſonders zu eilen, ſondern ſich während der Reiſe allerorts aufzuhalten, wo er Nahrung findet. Fn Griechenland trifft