Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Löffler: Lebensweiſe. Weſen. Fortpflanzung. 541

wird ſelten und bloß auf geringe Entfernung hin vernommen. Untex den Sinnen ſteht das Auge obenan; das Gehör iſt gut; das Gefühl ſcheint aber ebenfalls wohl entwi>elt, der Schnabel in ziemli<h hohem Grade taſtfähig zu ſein.

Fn ſeinem Weſen und Gebaren zeigt der Löffler mit Störchen und Reihern keine Verwandtſchaft. Ex gehört zu den vorſichtigen und klugen Vögeln, die ſih in die Verhältniſſe zu fügen wiſſen und jedes Ereignis bald nach ſeinem Werte abzuſhäßen lernen, zeigt ſih da verhältnismäßig zutraulih, wo ex nichts zu fürchten hat, äußerſt heu hingegen an allen Orten, wo dem Sumpfgeflügel überhaupt nachgeſtellt wird. Unter ſich leben dieſe Vögel im hohen Grade geſellig und friedlih. Mit wahrem Vergnügen habe ih geſehen, wie ſich zwei Löffler gegenſeitig Liebesdienſte erwieſen, indem der eine dem anderen das Gefieder des Halſes mit dem Schnabel pußte und ordnete, ſelbſtverſtändlich nur diejenigen Stellen, welche mit dem eignen Schnabel nicht bearbeitet werden können. Viele Minuten lang ſtehen ſie diht nebeneinander, und der Dienſt erſcheint gewiſſermaßen als eine Liebfoſung, die der eine dem anderen ſpendet. Streit und Zank unter einer Herde Löffelreiher fommt wohl niemals vor. Es kann geſchehen, daß auch unter ihnen der Neid ſich regt und der Hungrige demjenigen, welcher eben Nahrung erbeutete, eine Stre>e weit nahläuft; dieſe Verfolgung nimmt aber nie das Gepräge einer Drohung an, ſondern erſcheint eher als eine Bettelei. Unter dem anderen Geflügel, das mit ihm dieſelben Aufenthaltsorte teilt, beweat ſih der Löffler mit einer lieben8würdigen Harmloſigkeit und gutmütigen Friedfertigfeit, hält mit allen Freundſchaft und ſcheint froh zu ſein, wenn ihn andere nicht behelligen; ſein unſhuldiges Gemüt läßt niht einmal einen Gedanken an Ne>ereien aufkommen.

Wie die Mehrzahl der Schreitvögel überhaupt, gehört auh der Löffler zu den Tagvögeln; in mondhellen Nächten läßt er ſih aber doh gern verleiten, noh ein wenig auf Nahrung auszugehen: ih ſah ihn am Menſalehſee zu meiner niht geringen Verwunderung noh in der elften Nachtſtunde eifrig Nahrung ſuchen. Gewöhnlich eilt er {on vor Sonnenuntergang den Schlafpläßen zu und verläßt ſie bis zum Morgen nicht wieder. Sehr gern hält er auf den Bäumen, die ihm Nachtruhe gewähren, auch ein kurzes Mittagsſ{<läfhen, während ex, ſolange er am Boden oder im Waſſer umherläuft, ſih beſtändig mit ſeinem Nahrungserwerbe zu beſchäftigen ſcheint.

Fiſche bilden wohl ſeine hauptſächliche Nahrung. Er iſt im ſtande, 10—15 em lange zu verſchlingen, pat ſie ſehr geſchi>t mit dem Schnabel, dreht ſie, bis ſie in die rechte Lage kommen, und ſ{<lu>t ſie, den Kopf voran, hinab. Nebenbei werden unzweifelhaft alle übrigen kleineren Waſſertiere, Krebſe, Muſcheln und Schne>en ſamt den Gehäuſen, Waſſerlurche 2c. und auch Kerbtiere in allen Lebenszuſtänden verzehrt.

Wo Löffler häufig vorkommen, bilden ſie Siedelungen und legen auf einem Baume ſo viele Neſter an, wie ſie eben können. Jn Gegenden, in welchen es weit und breit keine Bäume gibt, ſollen ſie au< im Röhricht niſten. Die Neſter ſelbſt ſind breit, lo>er und \<le<t aus dürren Reiſern und Rohrxrſtengeln zuſammengefügt, inwendig mit tro>enen Schilfblättern, Binſen und Riſpen ausgekleidet. Das Gelege zählt 2—3, ſeltener 4 verhältnismäßig große, etwa 70 mm lange, 45 mm die, ſtarkſhalige, grobkörnige, glanzloſe, auf weißem Grunde mit vielen rötlihgrauen und gelben Fle>en gezeichnete Eier, die übrigens mannigfah abändern. Wahrſcheinlich brüten beide Eltern abwechſelnd; beide füttern mindeſtens die Jungen groß. Dieſe werden na< dem Ausfliegen den Sümpfen zugeführt, verweilen niht bloß auf dem Zuge, ſondern auch in der Winterherberge in Geſellſchaft der Alten, kehren mit dieſen zurü> und ſ<hlagen ſi< erſt dann in abgeſonderte Trupps zuſammen, da ſie niht vor dem dritten Fahre fortpflanzungsfähig werden.

Jn früheren Zeiten wurde auh der Löffler gebeizt; gegenwärtig jagt man ihn hier und da ſeines genießbaren, wenn au< nicht gerade wohlſ<hme>enden Fleiſches halber.