Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

548 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; neunte Familie: Flamingos.

umherſhwimmen und bald auch ſehr fertig laufen können, aber erſt nah mehreren Monaten flugfähig ſein.

J. W. von Müller behauptet, gehört zu haben, daß der Flamingo in der Camargue vor einigen Fahren häufig gebrütet habe, ſo daß ein Franzoſe manchmal größere Karren voll Eier wegfahren konnte, fügt dieſer offenbaren Unwahrheit auc hinzu, daß er dies ſehr wohl glaube, da die Flamingos ſtets geſellſchaftlih in langen Reihen auf der Erde niſten ſollen und man alſo die Eier leicht einſammeln könne. Andere Forſcher ſind minder glülih geweſen mit dem, was ſie erfahren konnten; Graf Salvadori hat ſi vergeblich bemüht, etwas über das Brutgeſchäft des von ihm oft beobachteten Vogels zu erfunden, und zwar wiederholt mauſernde Junge in den Händen gehabt, niemals aber ein Neſt oder Eier finden können, obwohl den Fiſchern die Sache vielfach empfohlen worden war. „Die Nachforſhungen der Leute“, ſagt er, „hätten erleichtert werden müſſen durch die ſeltſame Form des Neſtes, das in einem niht ſehr großen See, wie der von Scaffa, ſ<hwer unbemerkt hätte bleiben können, zumal einer ſo großen Anzahl Fiſchern ſo viele Jahre hindurch.“

Die Jagd auf den Flamingo erfordert äußerſte Vorſicht. Bei Tage laſſen die ängſtlihen Geſchöpfe den Jäger nicht einmal auf Büchſenſchußweite an ſih herankommen; beim Nahrungſuchen halten ſtets mehrere der älteren Wache und warnen die Geſamtheit beim Herannahen einer Gefahr. Nachts hingegen laſſen ſie ſi leichter berü>en. Graf Salvadori verſichert, daß es dann niht ſchwer ſei, ſie mit Schrot zu ſchießen, und die Araber erzählen mir, daß man ſie no< einfacher erbeuten fönne. Man ſpannt nachts zwiſchen zwei Barken gewöhnliche Fiſchneze aus und ſegelt mit ihnen unter eine Flamingoherde, die erſhre>ten Tiere fliegen auf, verwi>eln ſi< in den Neßen und werden von einigen Bootsleuten ausgelöſt. Auf dieſe Weiſe erlangt man zuweilen 50 und noh mehr aus einer Geſellſchaft. Cine viel ſonderbarere Fangart erzählten mir die Fiſcher am Menſalehſee. Nachdem man dur längeres Beobachten den Schlafplaßz einer Herde genau erkundet hat, nähert man ſih des Nachts höchſt behutſam auf einem aus Rohrſtengeln zuſammengebauten Floſſe und ſucht den Wachthabenden zu entde>en. Dieſer ſteht aufre<ht da, während die anderen den Kopf unter den Flügeln verborgen haben und ſchlafen. Ein entkleideter Fiſher ſ{<wimmt und krieht nun halb über, halb unter dem Waſſer, gede>t dur< ein Bündel Niedgras, das er vor ſich hertreibt, zu dem Wachthabenden heran, pat ihn raſh, drüt ihm den Kopf unter das Waſſer und tötet ihn dur<h Halsumdrehen; die übrigen greifen noh einige mit den Händen, töten ſie in gleiher Weiſe und binden fie an eine lange Schnur feſt. Jh würde dieſe Erzählung niht geglaubt haben, wenn ih mir das Ergebnis ihrer Jagden anderweitig hätte erklären können. :

Auf den Märkten der nordägyptiſchen Städte findet man den ſ{<önen Vogel oft zu Dutzenden, weil er als Wildbret ſehr beliebt iſt. Die alten Schriftſteller erzählen, daß die Nömer das Fleiſch, insbeſondere aber Zunge und Hirn außerordentlih ho<hſ<häßten und von dem leßteren ganze Schüſſeln voll auftragen ließen. F< habe Fleiſh und Zungen ſelbſt verſucht und beides wohlſ<hme>end, die Zunge aber wirkli<h fköſtlih gefunden. Von dem thranigen oder fiſhigen Geſhmace, den das roſenrötliche Fleiſch beſizen ſoll, habe ih nichts bemerkt, einen gebratenen Flamingo vielmehr ſelbſt an dem an Wildbret ſo reichen Menſalehſee ſtets als vortreffliches Gericht betrachtet.

Die Ruderfüßer (Steganopodes) haben mit anderen Würgvögeln nur entfernte Ähnlichkeit; niht bloß der Ruderfuß, ſondern das Geſamtgepräge ihres Baues überhaupt trennt ſie von den anderen Sippſchaften der Unterordnung, zu welcher ſie nah Fürbringers Unterſuchungen gleihwohl gehören.