Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Flamingo. — Ruderfüßer: Allgemeines. 549

Jhr Leib iſt geſtre>t, der Hals mittellang, der Kopf klein, der Schnabel lang oder kurz, breit oder rundlich, hakig oder ſpißig, übereinſtimmend bloß inſofern, als ſih zwiſchen den Unterkieferäſten eine na>te, mehr oder weniger ſa>artig erweiterte Haut befindet, der Fuß immer furzläufig und langzehig, wegen der Shwimmhäute, die alle Zehen verbinden, von dem Shwimmfuße anderer Vögel durchaus verſchieden, der Flügel lang und rundlich oder ſehr lang und ſpißig, der Schwanz verſchieden geſtaltet, ſtets aber eigentümlich und von dem anderer Shwimmer abweichend gebaut. Das Kleingefieder liegt knapp an, iſt bei einigen derb und hart, bei anderen ſeidig weih, ſeine Färbung nah dem Geſchlechte wenig oder niht, na< dem Alter meiſt ſehr verſchieden.

Auch die Nuderfüßer dürfen Bewohner des Meeres genannt werden, obwohl nur die Glieder zweier Familien der Sippſchaft den Weltmeervögeln inſofern ähneln, als ſie ſih freiwillig niemals von der See entfernen. Die übrigen ſtreichen gern tiefer ins Land, ſiedeln ſih an geeigneten Stellen hier auh an; ja, einzelne erſheinen nur ausnahmsweiſe am oder auf dem Meere: alle aber ſind, wenn ſie ſi hier einfinden, heimiſch, alle können ſih monatelang hier aufhalten und, wenn auch nicht das Land, ſo doh das Süßwaſſer entbehren. Einzelne raſten, um auszuruhen oder um zu ſchlafen, auf felſigen. Fnſeln und Küſten, andere am Strande, die meiſten, falls ſie können, auf Bäumen; gewiſſe Arten ſind wahre Waldvögel. Jm Norden ihres Verbreitungsgebietes zwingt ſie der Winter zu regelmäßigen Wanderungen; im Süden ſtreichen ſie, dem Laufe der Gewäſſer oder der Meeresküſte folgend, unregelmäßig auf und nieder.

Man darf ſagen, daß die Glieder dieſer Sippichaft alle Bewegungs8arten der Shwimmvögel überhaupt in ſi< vereinigen. Es gibt Stoß- und Shwimmtaucher unter ihnen; ſie fliegen vortrefflich, einzelne mit den Seefliegern um die Wette, gehen zwar ſ{<le<t, jedo< immer noh beſſer als viele andere Shwimmvögel und wiſſen ſi< au< im Gezweige der Bäume zu benehmen. Fhre Sinne ſind gut entwi>elt, ihre geiſtigen Kräfte dagegen ziemli gering; doh zeigen ſi<h einzelne bildſam und abrihtungsfähig. Fm Weſen ſpricht ſih tros aller Liebe zur Geſelligkeit wenig Friedfertigkeit, im Gegenteile Neid, Habgier und Naufluſt, auh Bosheit und Tücke und dabei entſchiedene Feigheit aus, wenn es ſi<h um ein Zuſammentreffen mit anderen Geſchöpfen handelt. Einmütiges Zuſammengehen, Eintreten der Geſamtheit zu gunſten des Einzelnen, wie die Seeflieger es uns kennen lehrten, tfommt unter den Ruderfüßern niht vor: ſie helfen ſih gegenſeitig beim Fiſchfange, niht aber bei nötig werdender Verteidigung gegen Feinde. Um andere Tiere bekümmern ſie ſich wenig, einzelne jedo< auch wieder ſehr genau, obſchon nur in dem Sinne, in welchem ſich ein Schmarotßer mit ſeinem Tiſchgeber beſchäftigt. Mehrere Arten niſten unter Reihern oder Angehörigen anderer Sippſchaften überhaupt, vertreiben dieſe auch dreiſt aus ihren Neſtern oder rauben ihnen die Niſtſtoffe weg, treten aber durchaus nicht in ein geſelliges Verhältnis mit den Genoſſen der Brutanſiedelung.

Das Neſt ſteht entweder auf Bäumen oder in Spalten des Geſteines, auf Felsgeſimſen und Berggipfeln, ſeltener auf Jnſelchen in Sümpfen und Brüchen. Wo es irgend angeht, laſſen unſere Vögel andere für ſi<h arbeiten, mindeſtens den Grund zu ihrem Neſte legen und bauen es dann einfa<h nah ihrem Geſhma>e aus; außerdem ſ<hleppen ſie ſelbſt die nötigen Stoffe herbei und ſchichten ſie kunſtlos übereinander. Das Gelege zählt 1 Ei oder deren 2—4. Dieſe Eier ſind verhältnismäßig klein, fehr länglih und gewöhnlich mit einem faltigen Überzuge bede>t, der die lebhafter, aber gleihmäßig gefärbte eigentliche Schale hier und da vollſtändig überkleidet, ſeltener glattſhalig und auf lihterem Grunde dunkler gefle>t. Beide Eltern brüten und zwar ſo eifrig, daß ſie ſich kaum verſcheuchen laſſen, beide ſ<leppen au< dem oder den geliebten Jungen überreihli<h Aßzung zu. Einzelne Arten ſcheinen oft zwei Bruten in einem Sommer heranzuziehen.