Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

554 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; zehnte Familie: Scharben.

Sie ſind ſehr geſellig und halten ſi deshalb in der Regel in größeren odex kleineren Scharen zuſammen. Während der Morgenſtunden fiſchen ſie mit regem Eifer, nachmittags pflegen ſie der Nuhe und der Verdauung; gegen Abend unternehmen ſie no<mals einen Fiſhzug; mit Sonnenuntergang gehen ſie ſchlafen. Zur Nachtruhe wählen ſie ſi<h im Binnenlande hohe Bäume, die auf Fnſeln in den Strömen oder in Seen ſtehen, dieſelben, die ſie ſpäter zum Brüten benußen, auf dem Meere hingegen felſige Jnſeln, die ihnen Umſchau nach allen Seiten und leihtes Zu- und Wegfliegen geſtatten. Solche Jnſeln erkennt man ſchon von weitem an dem weißen Kotüberzuge, mit welchem die Vögel ſie bedet haben, und ſie würden auch bei uns ſ{ließli< zu Guanolagern werden, hätten wir weniger Negen und die tropiſhe Sonne, die den Vogeldünger unter dem Himmel Perus tro>net Ein ſolcher Lieblingsſiß im Meere verfehlt nie, die Aufmerkſamkeit des Schiffers oder Reiſenden auf ſi zu ziehen; am feſſelndſten aber wird er ſelbſtverſtändlih dann, wenn er gerade mit Scharben bede>t iſt. Reihenweiſe geordnet, einem Kriegertrupp etwa vergleichbar, ſißen ſie in maleriſcher Stellung auf den Felſenza>en, alle in gleicher Rihtung dem Meere zugewendet, aber nur wenige von ihnen in ſteifer Haltung, da jede einzelne wenigſtens eins ihrer Glieder bewegt, entweder den Hals und Kopf oder die Flügel und den Schwanz. Das Wedeln und Fächeln mit den Flügeln wird zuweilen viertelſtundenlang betrieben und hat offenbar den Zwe>, alle Federn gänzlih zu tro>nen; denn ſpäter ſieht man die Vögel ſi<h ſonnen, ohne die Flügel zu bewegen. Auf ſolchen Ruheſizen behauptet übrigens jede einzelne Scharbe den einmal eingenommenen Stand ſchon aus dem einfachen Grunde, weil ihr das Gehen beſhwerlich fällt. Einige Beobachter haben behauptet, daß fie nur, wenn ſie ſich auf den Shwanz ſtüßen, gehen können ; dies iſt nun zwar nicht begründet, der Gang ſelbſt aber doh nur ein trauriges Watſcheln, von welhem man nicht zu begreifen vermag, daß es no< immer ſo raſh fördert. Aber die Scharbe iſt eigentlich im Gezweige no<h geſchi>ter als auf dem flachen Boden, bekundet jedoch ihre volle Gewandtheit und Behendigkeit wie der Schlangenhalsvogel nur im Schwimmen und im Tauchen. Wenn man ſich mit dem Boote einer Felſeninſel im Meere nähert, auf der Hunderte von Scharben ſißen, gewahrt man zuerſt Stre>en des Halſes und Bewegen des Kopfes, hierauf unbehilfliches Hin- und Hertrippeln und ſodann allgemeines Flüchten. Aber nux wenige erheben ſich in die Luft und fliegen hier mit flatternden Flügelſhlägen, auf welche dann {<hwebendes Gleiten folgt, geradewegs dahin oder ſteigen von Anfang an kreiſend zu höheren Luft1hihten empor; die Mehrzahl ſpringt vielmehr, beinahe wie Fröſche, in das Meer hinab, taucht unter und erſcheint nun möglichſt weit von dem Orte des Eintauchens wieder an der Oberfläche, die klugen, meergrünen Augen auf das Boot heftend und nötigen Falles auf2 neue tauhend und flühtend, bis die erwünſchte Sicherheit erlangt wurde.

Pinguine und Schlangenhalsvögel tauchen und ſhwimmen unzweifelhaft ſ{hneller, gewandter, beſſer als die Scharben; ob dieſe aber außerdem no< von tauhenden Vögeln übertroffen werden, möchte ih bezweifeln. Sie ſ{hwimmen unter dem Waſſer ſo ſ<hnell, daß auch das beſte, von tüchtigen Ruderern bewegte Boot ſie niht einholen fann, und ſie tauchen lange und in bedeutende Tiefen hinab, erſcheinen für einen Augenbli> an der Oberfläche, atmen raſh und verſhwinden wieder. Beim Verfolgen ihrer Beute ſtre>en ſie ſih lang aus und rudern mit weit ausholenden Stößen ſo heftig, daß ihr Körper wie ein Pfeil dur< das Waſſer getrieben wird. Unter den Sinnen ſteht wohl das Geſicht obenan; wenigſten3 läßt das lebendige, alſo niht bloß dur ſeine Färbung ausgezeihnete Auge hierauf ſchließen ; das Gehör iſt übrigens ebenfalls ſehr entwidelt und das Gefühl gewiß niht verkümmert; dagegen darf man wohl kaum von der Feinheit des Geſhma>sſinnes ſprechen: man bemerkt allerdings, daß ſie zwiſchen dieſen und jenen Fiſchen einen Unterſchied machen, iſt aber [hwerli<h berechtigt, anzunehmen, daß dies aus Gründen geſchehe, die mit dem Geſhma>sſinne