Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Kormoran: Gebaren. Begabung. Abrichtung zum Fiſchfange. Schädlichkeit. 555

in Beziehung ſtehen. Hinſichtlih des geiſtigen Weſens gilt das oben Geſagte. Man muß alle Arten der Gattung unter die klugen, ſhlauen und mißtrauiſchen Vögel zählen; denn man bemerkt, daß ſie weder in der Freiheit noh in der Gefangenſchaft ihre Sicherung vergeſſen; aber man erfährt ebenſo, daß ſie ſi in verſchiedene Verhältniſſe fügen und aus den Umſtänden beſtmöglichen Vorteil zu ziehen verſuchen. Gegen andere Vögel, mit welchen ſie zuſammenkommen, beweiſen ſie ſih immer hämiſch und boshaft, zumal wenn Neid und Freßgier ins Spiel kommen; aber ſie zwingen ſolche auc, für ſie zu arbeiten. So habe ih beobachtet, daß gefangene Scharben Pelikane nötigten, eine dünne Eisfchicht zu zerbrechen, die ihnen das Schwimmen und Tauchen in ihrem Waſſerbe>en verwehrte: ſie hatten geſehen, daß die Pelikane das Eis, das ſie niht zu zerbrehen vermochten, eindrüctten, und benußten dieſe Wahrnehmung augenbli>lih, ſhwammen hinter den großen Verwandten her und zwi>ten und peinigten ſie, bis leßtere, vor ihnen flüchtend, eine Straße gebahnt hatten.

Für die Bildungsfähigkeit ihres Verſtandes ſpricht auh die bekannte Thatſache, daß Kormorane von den Chineſen zum Fiſchſange abgerichtet werden und zur Zufriedenheit ihrer Herren arbeiten. Fortun wurde von einem Fiſchereibeſizer berichtet, daß die Kormorane, die man zum Fiſchen verwendet, in der Gefangenſchaft erzogen werden, auch in ihr ſi fortpflanzen, daß man aber die Eier von Haushühnern ausbrüten laſſe. Die Fungen werden ſchon beizeiten mit auf das Waſſer genommen und ſorgſam unterrichtet, ſpringen auf Befehl des Herrn hinein, tauchen und bringen die gefangenen Fiſche nah oben. „Bei Hochwaſſer“, erzählt Doolitle, „ſind die Brü>ken in Futſhau von Zuſchauern, die dieſem Fiſchfange zuſehen, dicht beſet. Der Fiſcher ſteht auf einem etwa meterbreiten, 5—6 m langen Floſſe aus Bambus, das vermittelſt eines Ruders in Bewegung geſeßt wird. Wenn die Kormorane fiſchen ſollen, ſtößt oder wirſt der Fiſcher ſie ins Waſſer; wenn ſie nicht gleih tauchen, ſ{<lägt er au<h mit dem Ruder hinein oder nach ihnen, bis ſie in der Tiefe verſhwinden. Sobald die Scharbe einen Fiſch erbeutet hat, erſcheint ſie wieder über dem Waſſer mit dem Fiſche im Schnabel, einfach in der Abſicht, ihn zu verſchlingen; daran verhindert ſie jedoch ein ihr loſe um den Hals gelegter Faden oder Metallring, und ſo {{wimmt ſie denn wohl oder übel dem Floſſe zu. Der Fiſcher eilt ſo raſh wie möglich herbei, damit ihm die Beute niht wieder entgehe; denn bisweilen findet, beſonders bei großen Fiſchen, ein förmlicher Kampf zwiſchen dem Räuber und ſeinem Opfer ſtatt. Wenn der Fiſcher nahe genug iſt, wirft er einen an einer Stange befeſtigten neßartigen Beutel über die Scharbe und zieht ſie ſo zu ſich auf das Floß, nimmt ihr den Fiſch ab und gibt ihr zur Belohnung etwas Futter, nahdem er den Ring gelöſt und das Verſhlingen ermöglicht hat. Hierauf gewährt er ſeinem Vogel eine kurze Ruhe und ſchi>t ihn von neuem an die Arbeit Visweilen verſucht die Scharbe mit ihrer Beute zu entrinnen; dann ſieht man den Fiſcher ihr ſo raſh wie mögli< nacheilen, gewöhnlih mit, zuweilen ohne Erfolg. Manchmal fängt ein Kormoran einen ſo ſtarken Fiſh, daß er ihn nicht allein in Sicherheit bringen kann; dann eilen mehrere der übrigen herbei und helfen ihm. Artet dieſe Abſicht, wie es auch geſchieht, in Kampf aus, und ſuchen ſi< die Scharben ihre Beute gegenſeitig ſtreitig zu machen, ſo ſteigert ſih die Teilnahme der Zuſchauer in hohem Grade, und es werden wohl auh Wetten zu gunſten dieſes oder jenes abgeſchloſſen.“

Auf den Gewäſſern des Binnenlandes ſind die Scharben nicht zu dulden, weil ſie dem Fiſchſtande unſerer Fluß- und Landſeen unberehenbaren Schaden zufügen. Fhre Gefſräßigkeit überſteigt unſere Begriffe: die einzelne Shharbe nimmt viel mehr an Nahrung zu ſich als ein Menſch; ſie frißt, wenn ſie es haben fann, ſo viel wie ein Pelikan. Jh habe einem gefangenen Kormorane ſo viele Fiſche gereiht, wie er annehmen wollte, und gefunden, daß er am Morgen 26, in den Nachmittagsſtunden aber wiederum 17 durhſcnittli 20 cm lange Plößen verſhlang. Die Fiſche füllten anfänglich nicht allein den Magen