Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

556 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; zehnte Familie: Scharben.

vollſtändig, ſondern dehnten auh die Speiſeröhre unförmlih aus, ragten zum Teile ſogar aus dem Shlunde hervor, wurden aber ſo raſh verdaut, daß Schlund und Speiſeröhre binnen 2 Stunden bereits geleert waren. Jm Meere ernährt ſi die Scharbe wahrſcheinlih nur von Fiſchen, die ſie vom Grunde emporholt oder wegfängt, im Binnenlande ſtellt ſie auh niederen Wirbeltieren nah. Fm Tiergarten zu Wien beobachtete man, daß dortige Scharben ſi< auf den Schwalbenfang eingeübt hatten, an heißen Sommertagen mit tief eingeſenktem Körper im Waſſer lagen, den Kopf nach hinten bogen, den Schnabel öffneten und nun auf die hin und her ziehenden Schwalben lauerten, einen günſtigen Augenbli> wahrnahmen, den Hals vorſhnellten und die argloſe Schwalbe, ehe ſie ausweichen konnte, pa>ten, mit einem kräftigen Viſſe töteten und verſhlangen. Auf den Faröer ſind ſie verhaßt, weil ſie ſich ſogar an Lämmer wagen, ſie bei lebendigem Leibe anfreſſen und \{<ließlih tôten.

Die Kormorane bevorzugen Bäume zur Anlage ihres Neſtes, begnügen ſih jedo< im Notfalle mit Höhlungen in Felſenvorſprüngen und ähnlichen Anlageſtellen. Jm Binnenlande oder da, wo Waldungen bis an die Küſte des Meeres herantreten, erſcheinen ſie in den Anſiedelungen der Krähen und Fiſchreiher, vertreiben die erſteren ſofort, die leßteren nah hartnä>igem Kampfe, bemächtigen ſih ihrer Horſte, ſ{hleppen dürre Reiſer, Rohrſtengel, Schilfblätter und dergleichen herbei, beſſern die vorgefundenen Neſter noh etwas aus und beginnen dann zu legen. Werden ſie ein paar Jahre lang nicht geſtört, ſo ſiedeln ſie ſich ſo feſt an, daß man ſie ſpäter nur mit größter Anſtrengung wieder los werden kann. „Jm Frühling des Jahres 1812“, ſagt Naumann, „fanden ſich auf einem Gute der Stadt Lütjenburg vier Paare ein und ſiedelten ſih, dem Seeſtrande nahe, auf ſehr hohen Buchen in einem Gehölze an, das ſeit vielen Fahren einer großen Anzahl von Saatkrähen und Fiſchreihern zum Brutorte gedient hatte. Sie vertrieben einige Reiherfamilien, um deren Neſter für ſih zu benußen, maten zwei Bruten, eine im Mai, die andere im Juli, und verließen im Herbſte desſelben Jahres, zu einem Fluge von einigen 30 angewachſen, die Gegend. Jm Frühling des folgenden Fahres kamen ſie, wie in allen folgenden, in einer immer mehr ſich verſtärkenden Anzahl wieder, und bald durfte man dieſe zu 7000 brütenden Paaren anſ<hlagen. Boie zählte auf einigen Bäumen an 50 Scharbenneſter. Die Menge der zu- und abfliegenden Vögel erfüllte die Luft; ihr wildes Geſchrei betäubte die Ohren. Die Väume ſamt ihrem Laube waren weiß gefärbt von dem Unrate, die Luft war verpeſtet durch die aus dem Neſte herabgefallenen und faulenden Fiſche. Erſt nah mehreren Fahren eiſriger Verfolgung gelang es, die ungebetenen Gäſte wieder los zu werden.“ Gewöhnlihh erſcheinen die brutfähigen Scharben im April, bauen ſehr eifrig, benußen auf manchen Bäumen jeden Zweig und legen {hon zu Ende des Monats 3—4 kleine, ſ{hlanke, etwa 65 mm lange, 40 mm dide, feſtſhalige, bläulihgrüne, mit einem falkigen Überzuge bede>te Eier, bebrüten dieſe abwechſelnd gegen 4 Wochen lang und füttern ihre Jungen ebenfalls gemeinſchaftlih groß. Dieſe wachſen infolge der ihnen überreihlih zugetragenen Speiſe verhältnismäßig {nell heran, werden von den Alten ungemein geliebt, bei Gefahr aber niht, wenigſtens niht dem Menſchen gegenüber, verteidigt. Wenn die Alten im Neſte anfommen, haben ſie gewöhnlih Schlund und Magen zum Plagen voll und würgen auf dem Neſtrande man<hmal mehrere Dugend kleine Fiſche aus; viele von dieſen fallen über den Neſtrand hinunter: kein Kormoran aber gibt ſih die Mühe, ſie aufzuleſen. Mitte Juni fliegen die Jungen aus, und dann machen die Alten gewöhnlih ſofort zur zweiten Brut Anſtalt, es jenen überlaſſend, ſi<h zu ernähren.

Kormorane halten bei reihliher Nahrung die Gefangenſchaft viele Jahre aus, haben außer ihrem Hunger auch kaum no< Bedürfniſſe, ſchreiten auch, ſelbſt auf kleineren Weihern, nicht ſelten zur Fortpflanzung. Freiherr von Kalbermatten führt an, daß ſie ſehr