Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

568 Zehnte Drdnung: Stoßvögel; elfte Familie: Pelikane.

dieſer mit ihnen vorzunehmen beliebt. Sie ſind ebenſo gutmütig wie flug, vertragen ſich mit allen Tieren und ſcheinen froh zu ſein, wenn ihnen nichts zuleide gethan wird. Nux ihr kaum zu ſtillender Heißhunger treibt ſie zuweilen an, kühn ſih vorzudrängen oder ſelbſt einen Kampf mit anderen Fiſchliebhabern zu wagen; do< muß es arg kommen, wenn ſie ihre gewöhnliche Feigheit verleugnen. Unter ſih leben die gleichen Arten außerordentlih friedlih und betreiben auh ihre Geſchäfte ſoviel wie möglich gemeinſchaftlich; verſchiedene Arten aber vereinigen ſich nie.

Das tägliche Leben der Pelikane iſt geregelt. Die frühen Morgenſtunden werden ZUL Jagd benußt. Kleinere oder größere Flüge ziehen dahin, die erſteren in einer ſchiefen Linie, die leßteren in der bekannten Keilordnung; die einen wenden ſich ſeichten Buchten zu, die anderen kommen von dieſen bereits geſättigt zurü>. Einzelne fiſchende Pelikane habe ih nur in Griechenland geſehen; gewöhnlih waren es ſehr zahlreihe Shwärme, die ſih zu dieſem Thun vereinigt hatten. Gegen 10 Uhr vormittags haben ſich alle geſättigt und wenden ſi< nun einer beliebten Sandbank oder Baumgruppe zu, um hier auszuruhen, zu verdauen und dabei das Gefieder zu pußen und neu einzufetten. Lettere Thätigkeit nimmt viel Zeit in Anſpruch, weil der ungefüge Schnabel das Geſchäft erſchwert und ſehr ſonderbare Stellungen nötig macht, namentlih wenn es ſi< darum handelt, die Federn des Halſes zu bearbeiten. Nachdem das Pußen vorüber, nehmen die dur<h das behagliche Gefühl der Verdauung träge gewordenen Vögel verſchiedene Stellungen an, je nachdem ſie auf Bäumen oder auf dem Boden ſißen. Dort ſtellen ſie ſi mit tief eingezogenem Halſe gewöhnlich ſehr ſenkrecht auf die Aſte, hier legen ſie ſih nicht ſelten platt auf den Bauch nieder. Bis gegen Mittag kommen beſtändig neue herbei, und die Verſammlung wächſt demnach von Minute zu Minute. Nachmittags zwiſchen 3 und 4 Uhr beginnen die Reihen ſih wieder zu lichten; geſellſchaſtsweiſe ziehen ſie zu neuem Fange aus. Die zweite Fagd währt bis Sonnenuntergang, dann fliegt die Geſellſchaft dem Schlafplaße zu. Nur da, wo es an Bäumen mangelt, iſt dieſer eine flahe Sandbank oder eine einſame Jnſel; da, wo es baumbeded>te Jnſeln gibt, ſchlafen ſie ſtets auf ſolchen.

Über ihre Fortpflanzung habe ih eigne Beobahtungen nicht ſammeln können. Jn Südeuropa wählen ſie Sümpfe und Seen zu ihren Brutanſiedelungen. „An ſolchen, nur mit den unglaublichſten Schwierigkeiten zu erreichenden Orten“, ſagt Graf von der Mühle „wo ſhwimmende Juſeln ſih befinden, ſtehen auf dieſen, dicht aneinander gedrängt, die grob aus Rohr und Schilf zuſammengetretenen, meiſtens naſſen oder feuchten Neſter. Die ganze Umgegend iſt mit ihrem dünnflüſſigen weißen Unrate bede>t , und deſſen Ausdünſtung ſowie die einer Menge faulender Fiſche, die beim Füttern verloren gingen, verbreiten in dieſer heißen Fahreszeit einen efelerregenden, unerträglichen, verpeſtenden Geſtank. Sonderbar, daß ſie niht zu gleicher Zeit brüten; denn man findet auf den Eiern ſißende Weibchen neben flüggen Fungen, ja mein Freund Freyberg, der dieſe Brutpläße mehrere Male beſuchte, verſicherte mih, in einem Neſte ein erwachſenes und ein no< mit Flaum bede>tes Junges gefunden zu haben, was ſih niht anders erklären läßt, als daß zwei Weibhen zuſammen in dasſelbe Neſt gelegt haben.“ Das Gelege ſoll aus 3—5 verhältnismäßig kleinen, mehr oder weniger langgeſtre>ten, nah beiden Enden gleih verdünnten, etwa 9 cm langen, 6 em dien, bläulihweißen, aber immer mit einer di> aufliegenden Kalkkruſte bede>ten Eiern beſtehen. Nah Freiherr von Kalbermatten legen die Pelikane bloß 2—S8 Eier in ſehr feſt gebaute Neſter von etwa 2,6 m Durchmeſſer und 0,7 m Höhe. Die Jungen, die nach 38tägiger Brutzeit dem Eie entſchlüpfen, kommen in einem grauen Daunenkleide zur Welt haben ein höchſt einfältiges Ausſehen, laſſen beſtändig heiſere und „ſchirpende“ Laute vernehmen und ſind überhaupt höchſt widerlihe Geſchöpfe. Jhre Eltern, die ſie gemeinſchaftlich erbrüteten, lieben ſie ſehr und vergeſſen im Neſte alle ihnen ſonſt eigne Scheu.