Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

588 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; fünfzehnte Familie: Seetaucher.

ſehr ſcharfſinnig ſind, namentlih vortrefflich ſehen und hören, ergibt die einfache Beobachtung; daß es ihnen niht an Urteil und Überlegung gebricht, erfährt man bald. Vorſichtig bleiben ſie unter allen Umſtänden, und wenn ſie auch beim Neſte einen großen Teil ihrer Steu ablegen, geben ſie ſi< do< niemals gedankenloſer Sorgloſigkeit hin, achten vielmehr auf alles und jedes, was um ſie her vorgeht, und trauen ſelten. Ob ſie gefährliche Menſchen von ungefährlichen zu unterſcheiden wiſſen, möchte zu bezweifeln ſein; ſie nehmen vielmehr das Gewiſſe für das Ungewiſſe und ſuchen ſih der unangenehmen Nähe des Menſchen ſoviel wie möglich zu entziehen. Ausnahmen von dieſer Regel ſind allerdings auch beobachtet worden. So bemerkte Graba einen Eistaucher am Ufer, der die Aufmerkſamkeit von 4 oder 5 Knaben erregte und ſih eine Zeitlang mit Steinen werfen ließ. „Sobald ein ſolcher nahe bei ihm niederſchlug, ſtre>te er den Kopf in das Waſſer, um zu ſehen, was es ſei, tauhte au< wohl danah. Über 30 Steinwürfe wurden nah ihm gethan, und mehrere trafen ihn, ohne daß er ſih deshalb entfernte.“ Solche Vorkommniſſe ſind ſelten; gewöhnli<h meiden die Seetaucher jedes fremdartige Geſchöpf ſoviel wie möglich, verkehren überhaupt wenig mit anderen Weſen, lieben niht einmal ihresgleihen. Sehr häufig trifft man ſie einzeln an, während der Brutzeit allerdings treuinnig verbunden in Paaren, aber faum zwei Paare nahe bei einander und nur ausnahmsweiſe ein Paar an Stellen, die bereits von anderen Vögeln beſeßt ſind. Während des Zuges oder in Gefangenſchaft halten ſie ſi< immer entfernt von anderen Shwimmvögeln, und wenn dieſe ſih ihnen nähern, hauen ſie au< wohl nach ihnen; hämiſ<h und boshaft aber kann man ſie eigentlich niht nennen. Jn die Enge getrieben, verteidigen ſie ſi< wütend und bringen mit dem ſcharfen Schnabel ernſthafte Wunden bei; ihre Angriffe haben auh ſcheinbar etwas Tückiſches, weil ſie ſo ſchnell erfolgen; ihr Gebaren läßt ſich jedoh faum mit dem der Reiher vergleichen und gewiß niht boshaſt nennen: ſie bekunden bei der Verteidigung mehr eine gewiſſe Dummdreiſtigkeit als bere<hnende Überlegung.

Jh zweifle, daß ein Seetaucher etwas Anderes als Fiſche zu ſi< nimmt; ſolange er ſih auf dem Meere befindet, hält er ſih gewiß ausſ<ließli< an dieſe. Seine außerordentlihe Shwimm- und Tauhfertigkeit macht es ihm leicht, ſi<h mit der nötigen Nahrung zu verſorgen, um ſo mehr, als man ihn eigentli<h niht zu den gefräßigen Tieren re<hnen, vielmehr als einen anſpru<sloſen Vogel bezeichnen kann. Er fängt ſeine Beute dur< \<hnelles Nachjagen im Waſſer oder holt ſie ſich vom Grunde empor. Schmale Fiſche ſind ihm ſelbſiverſtändlich lieber als breite, aber auch dieſe werden niht verſ<mäht. „Oftmals“ erzählt Graba, der Eistaucher von ſeinem Fenſter aus im Hafen beobachten konnte, ſah ich ſie große Flundern verzehren, und ſie wußten mit ihnen ſehr bald fertig zu werden. Um ihn zu zerſtüceln, ließen ſie den Fiſh aus dem Schnabel ins Waſſer fallen, ha>ten ein großes Stück heraus, ſchüttelten ihn tüchtig und wiederholten dies, bis ſie ihn verzehrt hatten.“ Kleine Fiſche ſ{<lu>en ſie ſelbſtverſtändlih ganz hinab; aber ſhon ſolche von der Größe eines Herings verurſachen ihnen Beſchwerden. Aus dem Betragen der gefangenen kann man ſchließen, daß ſie nur lebende Beute verzehren; denn diejenigen, welche man eben fing, wollen anfängli< gar niht ans Futter, nehmen mindeſtens vom Grunde des Waſſers oder vom Lande keinen Fiſh auf und müſſen erſt na<h und nah an die ihnen widerlichen toten Fiſche gewöhnt werden, indem man ihnen die kleinen Fiſche einzeln zu- und ſo ins Waſſer wirft, daß es ausſieht, als ob ſie ſi<h bewegen. Dagegen freſſen die friſh gefangenen ſofort, nachdem man ſie in ein größeres Waſſerbe>en brachte, wenn dieſes mit lebenden Fiſchen beſeßt iſt: ſie beginnen zu tauchen und unwillfürlih dabei zu jagen.

Alle Seetaucher wählen zum Brüten kleine, ſtille Süßwaſſerteihe unweit der Küſte, zuweilen jedo<h fol<he, welche in bedeutender Höhe über dem Meere liegen. Auf den Lofoten beobachtete ih viele Pärchen des Rotkehltauchers, die meiſten hoh oben auf den kleinen