Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Schwäne: Allgemeines. Verbreitung. Stimme. Fortpflanzung. 593

Weibchen; die Jungen beider Geſchlechter piepen wie die Gänſe. An geiſtigen Fähigkeiten ſtehen ſie niht hinter den übrigen Zahnſchnäblern zurück. Sie ſind flug und verſtändig, rihten ſi< na< den Verhältniſſen und nah dem Benehmen des für ſie in Frage kommen: den Menſchen, legen aber doch ſelten die ihnen eigentümliche Scheu und Zurückhaltung ab. Jn ihrem Weſen ſprechen ſih Selbſtbewußtſein und Gefühl der eignen Würde, aber auh eine gewiſſe Bösartigkeit aus, die ſich dem gleichen Geſchlechte gegenüber als Raufluſt, ſ<wächeren Vögeln gegenüber als Herrſhſucht äußert. Nur die Schwäne derſelben Art bilden größere Geſellſchaften, die dann unter ſih keinen anderen Vogel dulden und ſih auh den Verwandten niht anſchließen; ſelbſt der verirrte Schwan treibt ſi lieber einſam umher, als daß er ſi< mit anderen Shwimmvögeln vereinigt. Gegen ſ{<wächeres Geflügel zeigen ſie ſi< unfreundlih und mißgünſtig, und es ſcheint faſt, als ob ihnen die unbedingte Oberherrſchaft, die ſie ſi< bald zu erwerben wiſſen, noh niht genüge; denn nicht ſelten verfolgen ſie andere Shwimmvögel unabläſſig, greifen ſie wütend an und töten ſie ohne alle Urſache, gleihſam um das Übermaß ihrer Kraft an ihnen zu bethätigen. Um die Braut ſtreiten die Männchen heftig.

Dagegen hängen die Gatten eines Paares einander mit treuer Liebe an, und eine einmal geſchloſſene Che gilt für das ganze Leben. Beide Gatten eines Paares lieben ſich zärtli<, foſen oft miteinander, umſchlingen ſich gegenſeitig mit den Hälfen, ſ<näbeln ſi<h und ſtehen ſich bei Gefahr gegenſeitig bei. Ebenſo zärtlich zeigen ſi die Eltern ihrer Brut gegenüber; denn wenn au< das Männchen ſich in der Regel nicht ſelbſt am Ausbrüten der Eier beteiligt, ſo behält es doh das Weibchen fortwährend unter treuer Obhut und bleibt beſtändig in ſeiner Nähe, jeder Gefahr gewärtig, oder begibt ſih zu ihm auf das Neſt und unterhält es dur ſeine Gegenwart. C. von Baſſewiß hat übrigens auch ſicher beobachtet, daß beim Ausbrüten der Eier das Weibchen des Hökerſchwanes vom Männchen wenigſtens zeitweilig abgelöſt wurde, und daß leßteres, bevor es ſi feſt aufs Neſt ſeßbte, alle Eier mit dem S<hnabel umdrehte. Bei Erbauung des Neſtes, die das Weibchen beſorgt, hilft das Männchen wenigſtens dur< Zuführung der Niſtſtoffe, die es im Schnabel herbeiſhleppt oder von ferne her haufenweiſe herbeiflößt. Das Neſt ſelbſt iſt ein ſehr großer, kunſtloſer Bau, der aus allerlei Waſſerpflanzen gegründet und mit tro>enem Schilfe und dergleichen vollendet und ausgekleidet wird. Da, wo kleine, ſichere Fnſelchen ſi finden, benußt das Weibchen dieſe zur Anlage des Neſtes; ſonſt ſchleppt es Pflanzen herbei, bis es einen Haufen gebildet hat, der ſhwimmend beide Gatten tragen kann. Das Gelege bilden 6—8 ſtarkſchalige Eier von \<mußtig weißer oder ſhmutig blaßgrüner Färbung; aus ihnen ſ{hlüpfen nah 5—6wöchiger Bebrütung die Jungen, höchſt zierliche, in ein dichtes Daunenkleid gehüllte Küchlein, die, nachdem ſie ungefähr einen Tag lang noh im Neſte durhwärmt und abgetro>net wurden, auf das Waſſer geführt, zum Aufſuchen der Nahrung angeleitet, oft von der Mutter auf den Rücken, nachts unter die Flügel genommen, bei Gefahr mutig beſhüßt und überhaupt mit wärmſter Zärtlichkeit behandelt werden, bis ſie vollſtändig ausgefiedert ſind und aller Pflege und Leitung entbehren können. Nunmehr trennen ſie ſih von den Eltern für das ganze Leben; denn wenn ſie im nächſten Fahre wieder auf dem Brutplaße erſcheinen ſollten, ſteht ihnen von den Alten dieſelben Behandlung bevor wie allen anderen, welche es wagen ſollten, das von einem Paare gewählte Gebiet zu betreten.

Pflanzenſtoffe, die im Waſſer oder im Sumpfe wachſen, Wurzeln, Blätter und Säme=reien, Kerbtiere und deren Larven, Würmer, Muſcheln, kleine Lurche und Fiſche bilden die Nahrung der Shwäne. Dieſe erwerben ſie ſih dur< Gründeln, indem ſie den langen Hals. in die Tiefe des Waſſers hinabſenken, hier ſi<h Pflanzen pflü>en oder den Schlamm durhſ<nattern und alles Genießbare abſeihen. Fn tieferen Gewäſſern können ſie nux da, wo feinere Tiere in unendlicher Menge die oberen Schichten bevölkern, ſi zeitweilig erhalten.

Brehm, Tierleben. 8. Auflage. VT. 38