Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Singſhwan: Stimme. Weſen. Fortpflanzung. SOT

niht mehr beſißen und dann oft, auf dem Eiſe angefrorxen und verhungert, dem Tode nahe oder bereits tot gefunden werden. Aber bis an ihr Ende laſſen ſie ihre klagenden und doh hellen Laute hören.“ Nach dieſen Angaben läßt ſich die Sage vom Schwanengeſange auf ihr re<tes Maß zurü>kführen. Sie wurzelt auf thatſächlih vorhandenem Grunde, iſt aber durch die Dichtung zum Märchen umgeſtaltet worden. Eigentliche Lieder hat auh der ſterbende Schwan niht mehr; aber fein lebtes Aufröcheln iſt klangvoll wie jeder Ton, welchen er von ſih gibt.

Unter ſeinen Verwandten iſt der Singſchwan vielleicht der heftigſte und zankſüchtigſte; wenigſtens habe ih beobachtet, daß diejenigen, welche ih mit Höckerſhwänen auf einem Weiher zuſammenbrachte, leßtere regelmäßig vertrieben, d. h. nah länger währenden Kämpfen in die Flucht ſ{hlugen. Zu ſeinem Vorteile zeihnet er ſih aus durch ſeine Klugheit, die er im Freileben wie in der Gefangenſchaft bekundet. Den Nachſtellungen des Jägers weiß er ſich mit vielem Geſchi> zu entziehen; ſeine Jagd iſ demgemäß unter allen Umſtänden ſehr ſchwierig. „Unter vielen anderen Beiſpielen“, erzählt Schilling, „will ih nur eins anführen. Ein Singſhwan wurde auf einem Binnengewäſſer flügellahm geſchoſſen, flüchtete zu ſeiner Rettung über Land einem großen Teiche zu und miſchte ſich hier unter die zahmen Schwäne. Wenn in der Folge auf ihn Jagd gemacht wurde, ſhwamm er jedesmal unter ſie, obgleich er ſie ſonſt mied, und ſo wußte er ſih immer zu ſichern.“ Jung aufgezogene werden ſehr zahm, und wenn man ſich mit ihnen beſchäftigt, ungemein zugethan. Ein Männchen, das ih pflegte, lernte mih bald von allen übrigen Menſchen unterſcheiden, antwortete mir, wenn ih es anrief, und kam zu mix heran, wenn ih dies wünſchte, gleichviel, ob es ſi< in der Nähe befand oder erſt den ziemlith breiten Weiher durchſ{hwimmen mußte. Sobald es meine Stimme vernahm, richtete es ſih hoch auf, ſtre>te den Hals faſt ſenkrecht in die Höhe, ſhlug mit beiden Flügeln und ließ die laute Stimme oft nacheinander hören. Nachdem es in dieſer Weiſe meinen Gruß beantwortet hatte, ging es auf mih zu und zwar regelmäßig in höchſt ſonderbarer Stellung. Es bog nämlich den langen Hals gekrümmt zum Boden hinab, ſo daß die Shnabelſpige leßteren berührte, lüftete die Flügel ein wenig und watſchelte nun langſam gegen mih heran. Mußte es, um zu mir zu gelangen, den Weiher durchſchwimmen, ſo tauchte es den ebenſo gebogenen Hals tief in das Waſſer und ſchwamm in dieſer höchſt eigentümlichen Stellung mehrere Sekunden nacheinander fort. Jn meiner Nähe angekommen, richtete es ſih wieder auf und ſchrie unter lebhafter Flügelbewegung minutenlang, ſtieß aber immer nur ſein „Killklüi“ hervor. Es unterlag für mich keinem Zweifel, daß dieſes Benehmen mir die Freude und Anhänglichkeit meines Pfleglings ausdrüd>en ſollte; gleihwohl durfte ih es niht wagen, das uns trennende Gitter zu überſchreiten; denn dann wurde ih regelmäßig mit ſo lebhaften Flügelſhlägen begrüßt, daß ih eher eine Beſtrafung als eine Liebkoſung empfing. Hielt ih mi im Juneren des Geheges in angemeſſener Entfernung von meinem Pfleglinge, ſo folgte mir dieſer überall wie ein Hund auf dem Fuße nah und zwar ſtets in jener ſonderbaren Haltung. Seines Geſanges wegen hält man ihn in Rußland und achtet dagegen den Hökerſhwan wenig. ö

Jn den Sümpfen Finnlands, des nördlichen Rußland und des mittleren Sibirien, auch wohl Nordamerikas und Fslands niſtet der Singſchwan in ziemlicher Anzahl. Auf Fsland läßt er fih, laut Faber, gegen Ende Februar auf den kleinen Süßwaſſerteichen ſehen und verweilt hier bis Ende April; dann ziehen die meiſten den höher gelegenen Bergebenen zu, um in den dort liegenden Teichen zu brüten, während einzelne auh in den Thälern verweilen. Nah Radde bleiben nux wenige von den im Frühjahre am Tarai-nor ankommenden Singſhwänen hier während des Sommers; die Mehrzahl zieht den waldbede>ten Gegenden Mittelſibiriens zu und ſucht hier die einſam liegenden Seen zum Brüten