Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Trauerſhwan. — Gänſe: Allgemeines. 601

eingelenkte Beine. Der kaum oder nicht kopflange Schnabel iſt oben gewölbt, unten flach, an der Wurzel ſehr hoh, demgemäß viel höher als breit, nah vorn abfallend, auch ſeitlich ſtark verſhmälert, oben und unten in einen breit gewölbten, ſcharfſchneidigen Nagel ausgezogen, ſeitlih mit harten Zähnen bewaffnet, im übrigen mit weicher Haut bekleidet, der Fuß mittelgroß, faſt bis zur Ferſe befiedert, meiſt mit vollen Shwimmhäuten ausgerüſtet und mit furzen, ſtarken, flah gebogenen Krallen verſehen, die Flügel lang, breit und zugeſpibt, da die zweite Shwinge den übrigen vorſteht, der Oberarmſchwingenteil meiſt minder entwi>elt als bei den Schwänen, der Flügelbug dur einen harten Knollen, der bei mehreren Arten ſih zu einem ſtarken Sporn verlängert, ausgezeihnet, der aus 14—20 Federn zuſammengeſeßzte Schwanz kurz, breit abgerundet oder gerade, das Kleingefieder außerordentlich weich und dicht, am Kopfe ſtrahlig, auf dem Nücken ſchärfer begrenzt, am Halſe bei vielen Arten eigentümlih gerieft, das Daunengefieder ſehr entwi>elt. Die Geſchlechter unterſcheiden ſh wenig, ausnahmsweiſe auffallend; doh wetteifert auh dann das Gefieder der Weibchen an Schönheit mit dem der Männchen. Die Jungen erhalten ſhon im erſten Fahre ihres Lebens ein dem der Alten ähnliches Kleid.

Zeder Erdteil beſit ihm eigentümlihe Gänſearten. Fn Aſien und Europa kommen mehrere Arten faſt in gleicher Häufigkeit vor; einzelne verbreiten ſih au< über den Norden der ganzen Erde; nah Süden hin ſondern ſie ſih ſchärfer ab. Sie leben weniger als die übrigen Zahnſchnäbler im Waſſer, bringen vielmehr einen Teil ihres Lebens auf dem Feſt: lande und ſelbſt auf Bäumen zu. Jn der Cbene finden ſie ſih häufiger als im Gebirge; aber ſie ſcheuen das leßtere niht: gewiſſe Arten werden gerade in bedeutenden Höhen gefunden. Sie gehen vortrefflich, überhaupt beſſer als jeder andere Zahnſchnäbler, ſ<hwimmen zwar minder gut und raſch als die Enten und die Shwäne, aber doh immerhin noch ge: wandt und ſ<hnell genug, tauchen in der Jugend oder bei Gefahr in beträchtliche Tiefen hinab und fliegen leiht und ſchön, weite Stre>en in einem Zuge durhmeſſend, regelmäßig in Keilordnung, unter ſauſendem Geräuſche. Fm Gehen tragen ſie den Leib vorn etwas erhoben, den Hals aufgerichtet, gerade oder ſanft gebogen, ſeßen einen Fuß in raſcher Folge vox den anderen, ohne dabei zu watſcheln, und laufen nötigen Falles ſo ſhnell, daß ein Menſch ſie kaum einzuholen vermag. Jm Schwimmen ſenken ſie den Vorderteil des Leibes tief in das Waſſer, während der Shwanz hoch darüber zu ſtehen kommt; beim Gründeln kippen ſie vorn über und verſenken den Vorderleib bis zur Oberbruſt; beim Tauchen ſtürzen ſie ſich miteinem Stoße in die Tiefe. Mehrere Arten ſtoßen brummende, andere ga>ernde, einzelne endlih ſehr klangvolle und auf weithin hörbare Töne aus; im Zorne ziſchen die meiſten. Beim Männchen pflegt die Stimme höher zu. liegen als bei dem Weibchen.

Weshalb man die Gänſe als dumm verſchrieen hat, iſt ſ<hwer zu ſagen, da jede Beobachtung das Gegenteil lehrt. Alle Arten, ohne jeglihe Ausnahme, gehören zu den klugen, verſtändigen, vorſichtigen und wachſamen Vögeln. Sie mißtrauen jedem Menſchen, unterſcheiden den Jäger ſicher vom Landmanne oder Hirten, kennen überhaupt alle ihnen geſährlichen Leute genau, ſtellen Wachen aus, furz, treffen mit Überzeugung verſchiedene Vorſichtsmaßregeln zu ihrer Sicherheit. Gefangen genommen, fügen ſie ſih bald in die veränderten Verhältniſſe und werden bereits nah kurzer Zeit ſehr zahm, beweiſen überhaupt eine Würdigung der Umſtände, die ihrem Verſtande nur zur Ehre gereiht. Auch ihr Weſen iſt anſprechend. Eine gewiſſe Herrſhſucht und Zankluſt läßt ſich bei einigen nicht in Abrede ſtellen; die Mehrzahl aber iſt höchſt geſellig, obſhon mehr unter ſih, und die einzelnen Familien hängen mit inniger Zärtlichkeit aneinander. Während der Paarungszeit geht es ohne Kampf zwiſchen den Männchen niht ab; wenn aber jeder einzelne ſi<h ein Weibchen erworben, triti Friede ein, und die verſchiedenen Paare brüten nebeneinander, ohne ſich