Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Saatgans. A>ergans. Rotfußgans. 609

größere Ausdehnung als bei der Saatgans und blaß roſenrote Färbung hat, die kleinen, ebenfalls roſenrot gefärbten Füße, die kurzen Fittiche, die, zuſammengelegt, das Ende des Schwanzes nicht erreichen, und das ſehr dunkle, auf dem Oberkopfe ſ{<warzbraune, am Halſe rötlichbraune, auf der Dberſeite wie an den Weichen matt ſ{hwarzgraue, hellgrau umrandete Gefieder. Die Länge beträgt etwa 82, die Fittichlänge 42, die Shwanzlänge 14 cm.

Da die vorſtehend kurz beſchriebenen drei Gänſearten regelmäßig nicht unterſchieden werden, als Välge auh kaum zu unterſcheiden ſind, läßt ſih die Heimat jeder einzelnen Art noch nicht beſtimmen, niht einmal aus Feſtſtellung der Zugſtraßen ableiten; wohl aber dürfen wir mit Beſtimmtheit behaupten, daß keine von allen in Deutſchland niſtet, ihr Brutgebiet vielmehr im hohen Norden der Alten Welt zu ſuchen iſt. Für die Saatgans ſind Jsland, Lappland und von hier ab die Tundren Europas und Aſiens bekannte Brutgebiete: die A>ergans niſtet, nah Nordvys Befund, ebenfalls in Lappland, von der Notfußgans wiſſen wir, daß ſie im Sommer auf Spibtbergen lebt. Auf dem Zuge durhwandern Saatund A>ergans unſer Vaterland in jedem Herbſte und Frühlinge, wogegen die Notfußgans hier bei weitem ſeltener, dafür aber in Norwegen, Großbritannien, Holland, Belgien und Frankreih regelmäßig beobachtet und wohl auch alljährlih erbeutet wird. Die Saatgans erſcheint bei uns zu Lande in unzählbaren Scharen bereits Mitte September, verweilt hier, wenn die Witterung es geſtattet, während des ganzen Winters, zieht bei Schneefall und eintretender Kälte weiter, bis auf die drei ſüdlichen Halbinſeln Europas, ſelb bis Nordweſtafrika, kehrt jedo<h, ſobald ſie irgend kann, wieder nah nördlicheren Ländern zurü>, bleibt meiſt bis Mitte, au< wohl bis Anfang Mai unterwegs oder in Deutſchland und briht nunmehr exſt na< ihren Brutpläßen auf. Die A>ergans erſcheint ſtets um einen Monat ſpäter, etwa Ende Oktober, verläßt uns im Winter ſeltener als jene und tritt ſchon um einen Monat früher den Heimweg an. Die Rotfußgans kommt und geht mit ihr, nicht mit jener, zieht ebenfalls ohne Not niht weit nah Süden und überwintert in Großbritannien wie in Holland regelmäßig. Jede Art hält ſi< während ihrer Reiſe geſondert, ſchließt ſich vielleicht einer Verwandten an, miſcht ſih aber niht unter deren Flüge.

Weſen und Betragen aller Feldgänſe, wie wir die Gruppe nennen, ähneln ſih ſo, daß ih mich auf eine kurze Schilderung des Auftretens und Gebarens der Saatgans beſchränken darf. Während ihres Aufenthaltes in der Winterherberge bildet dieſe ſtets ſehr zahlreiche Geſellſchaften, die zu gewiſſen Tageszeiten ſih auf beſtimmten Stellen verſammeln, zu beſtimmten Zeiten zur Weide fliegen und zu beſtimmten Zeiten zurü>kehren. Mit beſonderer Vorliebe nehmen ſie auf unbewohnten, kahlen, von ſei<htem Waſſer umgebenen und vom Ufer aus nicht zu beſchießenden Strom- oder Seeinſeln und, in Ermangelung ſolcher geſicherter Schlafpläße, an einem ähnlich beſchaffenen Seeufer ihren Stand oder wählen einen [<wer zugänglichen Sumpf oder ſeichten Bruch zu gleichem Zwe>e. Fehlen einer Gegend au< Sümpfe und Brüche, ſo entſchließen ſie ſi< wohl oder übel, die freie Waſſerfläche eines größeren Teiches oder Sees zu benugen. Von dem Sammel-, Ruhe- und Schlafplaße aus fliegen ſie mit Tagesgrauen, nie ohne Geſchrei und Lärm, auch ſtets beſtimmte Zugſtraßen einhaltend, nah den Feldern hinaus, um dort zu äſen, kehren gegen 11 Uhr vormittags auf den Stand zurü>, trinken, baden, pußen und glätten das Gefieder, unterhalten ſich, ſchlafen wohl auch ein wenig, treten nahmittags gegen 2 oder 3 Uhr einen zweiten Ausflug an und wenden ſi mit Eintritt der Dämmerung dem Schlafplaße zu. Ft die Gegend waſſerreih und ſicher, ſo unterlaſſen ſie vielleicht auh in der Mittagszeit den Hin- und Widerflug und begeben ſi dafür, nahdem ſie irgendwo getrunken und gebadet, auf hoh gelegene, ruhige Felder, um hier zeitweilig zu ruhen. Teilt ſich das Heer wirklich einmal, ſo geſchieht es do< nur, während ſie fliegen, indem ein Trupp in verſchiedenem Abſtande

Brehm, Tierleben. 3. Auflage, YI. 39