Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

610 Zehnte Drdnung: Stoßvögel; ſe<hzehnte Familie: Entenvögel.

hinter dem anderen einherzieht. Jm Herbſte beſuchen ſie Stoppelfelder, um hier Körner aufzuleſen, ſpäter die Winterſaaten, um hier das ſchoſſende Getreide zu äſen So treiben ſie es, ſolange ſie bei uns weilen.

Alle Begabungen der Saatgans ſtehen mit denen der Graugans mindeſtens auf derſelben Höhe. Sie geht, {hwimmt und fliegt ebenſogut wie dieſe, beſißt eine niht minder laute Stimme und beweiſt, daß ſie an Verſtand ihr niht nachſteht. Jm Gehen trägt ſie ſich zierlih, im Fluge bildet auch ſie ſtets eine Reihe oder die Keilordnung und bewegt die Schwingen mit weit ausholenden Schlägen. An der Spite des Keiles fliegt, nah Naumanns Beobachtungen, ſtets ein altes Männchen, meiſt der Vater einer Familie, und hinterdrein Weibchen, Junge und einzelne, die ihre Eltern verloren haben mögen; doch geſellen ſih zuweilen auh mehrere Familien, deren Glieder dann ſtets hintereinander herziehen und die einmal angenommene Ordnung feſthalten. Die durchdringende, weitſchallende Stimme ähnelt der unſerer Grau- oder Hausgans ebenfalls. Ein murmelndes „Taddaddat“ iſt Unterhaltungslaut, ein kräftiges, tiefes „Keiak kaiaiah“ der Warnungsruf der Männchen, ein höheres „Keiäkäk kaiki kliwrä fjükgik“ derſelbe Ruf der Weibchen, ein heiſeres „Käng“ der Ausdru> des Verlangens na<h Waſſer, lautes, gellendes Geſchrei der des Schre>es oder Entſeßzens, heiſeres Ziſchen der hoher Erregung. Verſtändig und umſichtig iſt die Saatgans in demſelben Grade wie ihre weiter oben beſchriebene Verwandte, ihr Gedächtnis bewunderungswürdig, ihre Vorſicht ebenſo groß wie ihr Mißtrauen. Jede Vorkehrung, ſie zu täuſchen, erweiſt ſih in der Regel als vergeblich, jeder Verſuch, ſie zu überliſten, als verfehlt. Auch ſie unterſcheidet gefährliche und ungefährliche Menſchen, traut aber keinem und nimmt immer das Gewiſſe für das Ungewiſſe. Wer ihr auf ihrem Nuheplaßze Futter ſtreut, verſcheucht ſie ſicher; wer ſie einmal täuſchte, gewinnt ihr Vertrauen, auh wenn fie lange in Gefangenſchaft gelebt hat und ſehr zahm geworden iſt, ſo leicht niht wieder. Auch ſie gewöhnt ſih an Gefangenſchaft und Pfleger, beweiſt ee À ſogar mit der Zeit innige Anhänglichkeit, läßt ſih herbeirufen, berühren und ſtreicheln, verliert ihren Argwohn aber niemals gänzli<h und vergißt eine ihr zugefügte Unbill in Jahren niht. Mit anderem Geflügel verkehrt ſie in der Gefangenſchaft ebenſowenig wie im Freien; gegen die Graugans bethätigt ſie entſchiedene Abneigung; ihre nächſten Verwandten oder Enten duldet ſie wohl unter ſih, geht aber kaum jemals einen Freundſchaftsbund mit ihnen ein. Gleichwohl kann es geſchehen, daß ſie in Gefangenſchaft ſi< mit einer anderen Wildgans erfolgreich paart.

Über ihre Fortpflanzung im Freien mangeln noch eingehende Beobachtungen. Das Neſt, das dem anderer Wildgänſe gleicht, ſteht in Sümpfen auf Kaupen und anderen Erhöhungen und enthält in der zweiten Hälfte des Funi 7—10, denen der Graugans ähnliche, um etwa 4 mm fürzere Eier.

Hinſichtlich der Feinde, der Jagd und Nugzung gilt dasſelbe, was bei Schilderung der Graugans bemerkt wurde.

Ebenſo wie die Feldgänſe, ſind auh drei Bleßgänſe, die Europa bewohnen und dur(wandern, verkannt oder verſhmolzen worden, und wiederum iſt es die Sn lebender Vögel die deren artlihe Trennung rechtfertigt.

Die größte dieſer Arten iſt die Mittelgans (Anser intermedius, medius und bruchii). FJhre Länge beträgt etwa 76, die Breite 160, die Fittihlänge 47, die Shhwanzlänge 13 cm. Eine nierenförmige Stirnquerbinde und ein ſichelförmiger Fle>en an jeder Schnabelſeite ſowie das Kinn ſind weiß, Kopf und Hals dunkel-, die Oberteile braungrau, lihter gerandet, die Unterteile gänſegrau, Ober- und Unterbruſt mit vielen ſ<hwarzen, zwiſchen die grauen eingeſprengten Federn beſeßt, Bürzel, Steiß und Unterſhwanzde>en