Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Eidevrente: Fortpflanzung, Pflege der Jungen. Nußung. 653

leichteſten entgehen können. Sehr oft vereinigen ſi<h mehrere Mütter mit ihren Kindern und gewähren dann dem Beobachter ein höchſt we<ſelvolles unterhaltendes Schauſpiel. Sieht ſich die Mutter von einem Boote verfolgt, ſo rudert ſie anfangs aus allen Kräften, um dem Schüßen zu entrinnen, läßt dabei das Boot bis auf wenige Schritt an ſih herankommen und entſchließt ſih nur im äußerſten Notfalle zum Auffliegen; wird ſie von den Kleinen abgeſchnitten, ſo eilen dieſe dem Lande zu, klettern und holpern auf die Küſte hinauf, rennen behende hin und her und haben ſih im Nu zwiſchen Steinen und Bodenerhöhungen ſo geſchi>t verborgen, daß ſie das ungeübte Auge wohl täuſchen können. Geht die Gefahr glücklich vorüber, ſo ſieht man ſie nah einiger Zeit ſih erheben, dem Meere zueilen und im vollſten Bewußtſein des zu wählenden Weges ſich in gerader Linie vom Lande entfernen, der beſorgten Mutter oder einem anderen alten Weibchen zuſhwimmend.

Wenn die Alte getötet wird, ſolange die Jungen noch der mütterlichen Hilfe nicht entbehren können, ſchließen ſih dieſe einer anderen Kinderſchar an, und deren gutmütige Erzeugerin nimmt ſie auh ohne weiteres auf und führt und pflegt ſie, als ob es die eignen Kinder wären. Der Trieb zu bemuttern iſt überhaupt bei den Eidervögeln ſehr ausgeprägt: ſchon die nebeneinander brütenden Weibchen beſtehlen ſich gegenſeitig um die Eier und teilen ſich ſpäter, wenn ſie ſich vereinigten, ohne Widerſpruch zu erfahren, in Pflege und Erziehung der Kleinen. Lettere wachſen ſchnell heran, werden bereits im Verlaufe der erſten Wochen ſo ſelbſtändig, daß ſie alle Pflege entbehren können, bleiben aber dennoch bis zum nächſten Frühjahre in Geſellſchaft ihrer Eltern und im zweiten Jahre ihres Lebens ſo viel wie möglih in Geſellſchaft der alten Männchen.

In der erſten Jugend freſſen die Ciderenten kleine Krebsarten und Weichtierchen; ſpäter halten ſie ſih faſt ausſchließli<h an Muſcheln, ohne jedoch kleine Fiſche und andere Meertiere zu verſ<hmähen.

Obgleich die Eidervögel den größten Reichtum der hochnordiſchen Länder bilden, werden ſie doh keineswegs überall in vernünftiger Weiſe gehegt und gepflegt. Verſtändige Eigentümer der „Eiderholme“ oder Brutpläße nehmen den brütenden Vögeln, während ſie legen; einige Eier weg und zwingen ſie dadur<, mehr zu erzeugen, als ſie ſonſt thun würden. Nun: mehr aber warten ſie, bis die Brutzeit vorüber iſt, und ſammeln dann erſt die Daunen auf. So verfährt man im ſüdlichen Norwegen, anders in Lappland, auf Jsland, Spißbergen und Grönland. Hier ſchont man weder Vögel noh Eier. Troß des ſchle<ten Flei[hes der älteren Eidervögel treibt man ihre Jagd jahraus jahrein und tötet Tauſende, und tros des erſichtlichen Vorteiles, den vor allen Dingen Hegung der brütenden Eiderenten gewährt, nimmt man ihnen Eier und Daunen weg, wo man ſie findet. Auf Spibbergen haben ſi< die Folgen dieſes unſinnigen Verfahrens bereits ſehr bemerklich gemacht; denn während man die Ausbeutung früher nah Tauſenden von Kilogrammen bere<nen konnte, muß man jeßt mit Hunderten zufrieden ſein: Malmgren verſichert, daß man jeßt im Herbſte gar nicht oft junge Eiderenten erbli>e und die Fänger allgemein über raſche Abnahme, die ſie doh ſelbſt verſchuldet haben, in Klagen ausbrehen. Jn Grönland hat ſich die Verminderung no<h niht ſo bemerklih gemacht; es werden von dort aus, laut Holböll, alljährlih no< mehrere tauſend Kilogramm verſandt. „Die größte Menge unreiner Daunen, die von Südgrönland aus in einem Jahre abgeſendet wurde, betrug 2005 ke; Nordgrönland liefert ungefähr halb ſo viel. Man rechnet die Daunen von 12 Neſtern auf 1 Pfund; es wurden alſo 104,520 Vögel ihrer Daunen und zugleich, wenigſtens zum größten Teile, auch ihrer Eier beraubt.“ Ein Kilogramm gereinigter Eiderdaunen koſtet in Norwegen jeßt 33—45 Mark unſeres Geldes; der Gewinn, den ein reich beſeßter Eiderholm liefern fann, iſt alſo feineswegs unbedeutend und würde ſich noh beträchtlich ſteigern, wollte man ſi entſchließen, die Daunen erſt, nachdem die Jungen dem Neſte entlaufen