Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

58 Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Regenpfeifer.

eingehend beobachtet, alles, was er ihm abgeſehen, dann auh im Freien beſtätigt gefunden, und ihm ſo manches abgelauſcht, was bis dahin noh unbekannt oder doh niht veröffentlicht war. „Geht der Kiebiß“, ſo ſchreibt er mir, „nah Nahrung aus, ſo läuft er mit ruhig gehaltenem Körper ſ{hnellen Schrittes etwa 1 m weit geradeaus, hält dann mit einem Rue ganz ſtill, indem er auf einem Ständer ſteht und den anderen nach hinten geſtre>t auf die Zehenſpißen ſtützt, und unterzieht, ohne den Kopf zu bewegen, den kleinen Fle>en Landes um ſi< her der ſorgfältigſten Prüfung, was nur dadur<h mögli<h wird, daß die prächtig braunen Augen groß genug ſind und etwas hervortreten. Nachdem er die Stelle abgeäugt hat, rennt er wieder mit größter Gewandtheit über Stellen und Grasftubben weg 1m weit vox und bleibt wiederum in der angegebenen Stellung ſtehen, und ſo fort. Wie viele andere Vögel wippt au<h ex mit dem Schwanze; aber dieſes Wippen iſt langſam und gravitätiſh und teilt ſi< mit Ausnahme des Kopfes dem ganzen Körper mit, ſo daß dieſer in ſhaukelnde Bewegung gerät. Faſt heftig wird das Wippen und Schaukeln, wenn der Vogel ein Bad nimmt. Sehr ſonderbar iſt eine andere Bewegung der Kiebiße, die man aber nur dann ſieht, wenn ſie ſi<h aus der Luft auf einer Wieſe oder einem Felde niedergelaſſen haben, oder wenn ihnen in der Ferne etwas auffällt, oder endlih, wenn ſie beiſammen ſtehen und ſi< ſumm unterhalten. Wie die Waldſänger oder Steinſhmäßer ſich ſ<nell bü>en, ſo ſchnellen die Kiebiße im Stehen den Kopf in wagerechter Haltung auf einen Augenblic> ſenkre<t in die Höhe. Dieſe vollſtändig gewohnheitsmäßige Bewegung gehört zu denen, die ih ſichernde nenne; denn ſie dur<jpähen ſo die. weitere Umgebung nah etwaigen Gefahren. Wieder eine andere Bewegung, die ih zu den ſpielenden zähle, weil man ſie nur ſieht, wenn ſie ſorglos beiſammen ſtehen und dur<h Zeichen und au< durch leicht krächzendes Gemurmel eine Art Unterhaltung pflegen, iſt die, daß ſie den Kopf ſeitlich niederſtre>en, als ob ſie etwas von dem Boden aufheben wollten. Bei ſtarker Erregung wiederholen ſie dieſe Bewegung öfters und führen ſie ſchneller aus. Namentlich fann man dies beobachten bei Gelegenheit der Hochzeitsſpiele. Das Männchen umſ<hwenkt dann das am Boden ſtehende Weibchen zuerſt mit den wunderbarſten Flugkünſten und ſtürzt ſich endlih, wenn ſi leßteres in eine kleine Bodenmulde gedu>t hat, in deſſen Nähe auf die Erde, geht aber keineswegs immer ſogleih zu ihm hin, ſondern liebäugelt zuvor auf eine wunderliche Weiſe, trippelt bald re<ts, bald links vor, immer mit kurzen Pauſen, ehe es ganz ſtillſteht, und macht dabei jene eben beſhriebene Bewegung, die tiefen Verbeugungen auf ein Haar gleicht. Jet wird das Weibchen rege, hebt ſi<h ein wenig in den Ferſen, ſchaukelt ſi< hin und wieder unter leichtem Schwanzwippen und läßt dabei ein halblautes, re<t unangenehm klingendes, krähzendes Geſhwäß hören, mit welchem es das Männchen zu ermuntern ſcheint. Dieſes kommt nun näher heran und gibt feinen warmen Gefühlen dadur<h Ausdru>, daß es einige Schritte zu dem Weibchen vorläuſt, ſtehen bleibt, dann Binſenhalme, ein Stengelchen oder ſonſt dergleichen mit dem Schnabel faßt und über den Rütten hinter ſich wirſt, das Spiel auch öfters wiederholt. Ein ähnliches Liebeswerben habe ih bei feinem anderen Vogel beobachtet. Ob das Männchen damit auf den Neſtbau hindeuten will, um im Weibchen günſtige Gefühle zu erwe>den? Jh möchte das faſt glauben, ſo dürftig auh der Neſtbau iſt.“

Je mehr man den Kiebiß beobachtet, um ſo feſter wird man überzeugt, daß er ein ſehr kluger Vogel iſt. Die Wachſamkeit, die den Jäger ärgert, gereicht ihm zum Ruhme. Ex weiß genau, welchen Menſchen er trauen darf, und welche er meiden muß. Mit Hirten und Bauern tritt ex in ein gewiſſes Freundſchaftsverhältnis; dem Jäger weicht er ſo ängſtlih aus, daß man meinen möchte, er kenne das Gewehr. Eine böſe Erfahrung vergißt er nie, und derjenige Ort, an welchem einen ſeiner Art ein Unglü> traf, bleibt den übrigen jahrelang im Gedächtnis. Allen Raubtieren gegenüber legt er den tiefſten Haß an den Tag,