Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Kiebißregenpfeifer. Goldregenpfeifer. Tundraregenpfeifer. 65

Wie der zu beſchreibende Gold- bewohnt auh der Kiebißregenpfeifer die Tundra, jedoh nur deren nördlichſte Teile und, dem Anſchein nah, bloß das Küſtengebiet des Meeres, vielleiht mit Ausnahme Jslands, Spibbergens und Nowaja Semljas, woſelbſt er noch nicht beobachtet wurde. Von hier aus durchwandert ex allwinterlihh ſaſt die ganze Erde; nur in den ſüdlihſten Ländern Amerikas und auf Neuſeeland hat man ihn noh nicht gefunden. Deutſchland durchreiſt er im September, Oktober und November oder, heimwärts wandernd, in den Monaten März bis Juni; den Winter verbringt er zum Teil ſhon in dem Mittelmeerbe>en, zum Teil in allen übrigen Ländern ſeines Gebietes, den kurzen Sommer, vom Zuni bis zum Beginn des September, in ſeiner Heimat; gegen Ende Juni beginnt ex zu brüten; um Mitte Auguſt, ſpäteſtens Anfang September, ſind ſeine Fungen flügge, wenige Tage ſpäter reiſefähig. Dies iſt, mit kurzen Worten gezeichnet, das Jahresleben dieſes Vogels.

Fn ſeinem Auftreten ähnelt der Kiebißregenpfeifer ſeinem bekannteren Verwandten faſt in jeder Beziehung. Haltung, Gang und Flug beider Arten ſtimmen fo miteinander überein, daß nur ein ſehr erfahrener Beobachter beide zu unterſcheiden vermag; auh beider Sitten und Gewohnheiten, ſelbſt die Stimmlaute ſind bis auf geringfügige Abweihungen dieſelben.

Neſt und Eier fanden von Middendorf im Byrrangagebirge unter dem 74. und an der Boganida unter dem 71. Grade nördlicher Breite zu Ende Juni, Harvie-Brown und Seebohm an der Petſchoramündung von derſelben Zeit an bis Mitte Fuli. Das Neſt iſt nur eine ſeichte, in den Boden der Tundra eingeſcharrte, mit einigen dünnen Zweiglein und Renntierfle<ten ausgelegte Vertiefung; die Eier, deren Längendurchmeſſer ctwa 54 und deren Querdurhmeſſer 36 mm beträgt, ſind auf gelblihgrauem oder olivenbraunem Grunde mit dunkelbraunen Fle>en nah Art der Kiebiß- und Goldregenpſfeifereier gezeichnet und ſtehen zwiſchen beiden ungefähr in der Mitte. Die Fungen im Daunenkleide ähneln denen des Goldregenpfeifers zum Verwechſeln.

Der vorſtehend erwähnte Goldregenpfeifer, Goldkiebiß, Heidenpfeifer, Brach-, A>er-, Saat-, Grill-, Tüt- und Pardervogel, Feldläufer, Faſtenſhleier, Pulros, das Brachhühnchen oder Brachhennel, Dittchen oder Tütchen, die Goldtüte 2c. (Charadrius pluvialis, auratus, aureus, apricarius und altifrons, Pluyialis apricarius und aureus), iſt merftli<h kleiner als der Kiebißregenpfeifer, von dieſem leiht an ſeinem dreizehigen Fuße zu unterſcheiden, dem Verwandten aber ſo ähnlich gefärbt und gezeichnet, daß man ihn beſchreibt, wenn man angibt, daß auf der Oberſeite Goldgrüngelb vorherrſcht, weil alle Federn hier ſo gefärbte Ränder zeigen. Dieſe goldgrüne Färbung ſpricht ſih auh im Winterkleide noh deutlih genug aus, um eine Verwechſelung mit jenem zu verhüten. Scheitel, Na>en, Hinterhals, Mantel und Rücken ſind ſ{hwarz, alle Federn goldgrün umrandet und fle>ig zugeſpißt, Stirn, Brauen, Seitenhals, Bruſt- und Bauchſeiten, einen ununterbrochenen Streifen bildend, weiß, Steiß und Unterſhwanzde>en ebenſo, die Handſchwingen düſter braun, die Armſchwingen auf ſ<hwarzem Grunde goldgrün quergeſtreift, die Unterflügelde>ſedern weiß, gegen den Bug hin bräunlich gezeichnet, die Achſelfedern rein weiß, die Shwanzfedern auf braunſhwarzem Grunde 7—9mal heller gebändert. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel ſhwarz, der Fuß ſhwarzgrau. Die Länge beträgt 26, die Breite 58, die Fittichlänge 18, die Shwanzlänge 8 cm.

Von dem in Europa brütenden unterſcheidet man den im Oſten Aſiens und im Norden Amerikas lebenden, zuweilen au< in Europa und ſelbſt auf Helgoland vorkommenden Goldregenpfeifer, den wir zum Unterſchiede Tundraregenpfeifer nennen wollen (Charadrinus fulyus, glaucopus, xanthocheilus, virginianus, yirginicus und taitensìis.

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. YT. 5)