Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

A472 Dritte Unterordnung: Schlangen; ſe<hſte Familie: Vipern.

Meinung, etwas Genießbares zu erkunden, ohne jedo< daran zu denfen, den mehr als ſorgloſen Mann zu verleßen. Eine ähnliche Zahmheit iſt ſ<werlich bis jeßt bei irgend einer anderen Giftſchlange beobachtet worden.

Über eine kupferbraune Spielart hat Effeldt ebenfalls wertvolle Beobachtungen mitgeteilt. Jm November 1871 erhielt dieſer ausgezeihnete Schlangenpfleger eine männliche Waſſerotter von genannter Färbung, und es gelang ihm, im Funi des folgenden Fahres auch ein Weibchen derſelben Spielart zu erwerben. Am 21. Fanuar 1873, einem ſhönen, ſonnigen Tage, begatteten ſih beide Schlangen, und am 6. Juli fand unſer Berichterſtatter zu ſeiner lebhaften Freude im Käfige aht lebende, vor kurzem geborene Junge vor. Die Länge dieſer äußerſt niedlichen Tierchen betrug bei der Geburt etwa 26 ecm, ihre Stärke ungefähr 1,5 em. Die Färbung wax, abweichend von der ihrer Eltern, blaß fleiſchfarben, die des Kopfes etwas rötlicher; die Zeihnung beſtand aus ſ{<hwarzbraunen Zi>za>bändern. Nach der erſten Häutung, ungefähr 14 Tage nah der Geburt, ging die Numpffarbe mehr ins Rotbraune und nah dem zweiten, etwa 5 Wochen ſpäter erfolgenden Hautwechſel ins Kupferbraune über. Doch auch jezt noh blieb der Kopf lebhafter gefärbt. Bis ins zweite Jahr erhielt ſi< dieſe Färbung, und alsdann erſt dunkelte das Kleid der S<hlangen mehr und mehr, bis es in das oben beſchriebene überging. Während der erſten 14 Tage nahmen die jungen Waſſerottern keine ihnen angebotene Nahrung zu ſih; nach dieſer Zeit begannen ſie, Fiſche gänzlih verſhmähend, kleine Grasfröſche zu freſſen. Nach Ablauf von 2 Monaten hatten ſie bereits eine Länge von 34 cm erreiht; ihr Kopf war jedo< bereits viel größer als der einer ausgewacſenen Kreuzotter, infolgedeſſen ſie ſhon halbwüchſige Fröſche zu verſchlingen vermochten. „Gleich nah der Geburt“, jagt Effeldt, „hatte ih die jungen Schlangen bis auf eine aus dem Käfige ihrer Eltern herausgenommen, aus Furcht, der eigne Vater könnte ſie in ſeiner Freßſucht verſchlingen. Die erſten Tage nahm ih die bei den Eltern gelaſſene junge Schlange gar niht wahr; erſt na< 8 Tagen fand ih ſie, auf dem Leibe ihres Vaters liegend, vor und bemerkte, daß dieſer ſie, gleihſam liebkoſend, von allen Seiten bezüngelte. Dieſer Fall gilt mir als Beweis,

. daß ſie zu ihren Jungen Zuneigung hegen, während ſie ſonſt mit allen anderen Geſchöpfen, auh mit anderen Sthlangenarten, in Feindſchaft leben und angreifend niht allein gegen jedes Tier, ſondern ebenſo auh gegen den Menſchen vorgehen. Wenn ih mehrere Schlangen gleicher Art oder gleicher Spielart zuſammenſeßte, herrſchte Friede unter ihnen; brachte ih aber eine Shlange auh nur anderer Spielart hinzu, ſo wurde dieſe ſofort angegriffen und gebiſſen. Der Biß hatte niemals ſchädliche Folgen, wogegen andere Arten, die in ihren Käfig geſeßt wurden, wie Klapper- oder Lanzenſ<hlangen, den Folgen des Biſſes ſtets erlagen.“

Effeldt hat ſeine Waſſerottern verſuchsweiſe verſchiedene Tiere beißen laſſen. Eine in den Käfig der Schlangen geſeßte Ratte wurde, und zwar nur mit einem Giftzahne, in den Hinterſchenkel gebiſſen, wie die ſpätere Unterſuchung ergab, eigentlih niht mehr als gerißt. Sogleih na< erhaltenem Viſſe lief die Ratte unruhig hin und her, nah einigen Minuten waren bereits ihre getroffenen Teile gelähmt, nah 10 Minuten ſaß ſie mit geſträubtem Haare in einer E>e zuſammengekauert, ohne ſi< weiter zu rühren, 17 Minuten nach erhaltenem Biſſe legte ſie ſih, infolge eingetretener Krämpfe, auf die Seite, und nah Ablauf von 40 Minuten erfolgte der Tod. Minder gefährlih erwies ſich der Biß einer jungen, erſt 2 Monate alten Waſſerotter, der freilih ebenfalls nur mittels eines Giftzahnes beigebraht worden war: 5 Minuten nah dem Biſſe trat Lähmung des Fußes der Ratte ein; na< 6 Minuten war er ſhon merklih angeſhwollen, nah 6 Stunden ging die Geſchwulſt in Eiterung über: damit aber war die Gefahr auh gehoben. Denn am nächſten Tage fraß die Natte bereits wieder und lahmte nur noh ein wenig auf