Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

A474 Dritte Unterordnung: Schlangen; ſechſte" Familie: Vipern.

Wohl 25 Arten gehören zu dieſer Gattung, die ſi< auf Oſtindien, Südchina, die Liukiu-Fnſeln und das tropiſche Amerika verteilen. Die grünen, meiſt zuglei<h ſ<lanteren Arten bevorzugen den Aufenthalt im Graſe und in Büſchen, die braunen und grauen, plumperen und weniger beweglichen lieben mehr den Boden oder ſteinige und felſige Örtlichkeiten und ſelbſt hohe Gebirge. Aber beide auf den erſten Bli>k anſcheinend ſo gut getrennten Färbungsgruppen bieten doh ſo zahlreiche Übergangsformen untereinander, daß an eine Teilung der Gattung niht zu denken iſt. Viele ſind, wie dies ihr Greifſhwanz ſchon anzeigt, entſchiedene Baumſchlangen, die den größten Teil ihres Lebens im Gezweige der Bäume oder überhaupt auf Pflanzen verbringen und nur dann und wann zum Boden herabkommen; andere leben nur auf dem Boden.

Um die Lebensweiſe der grünen Lochottern kennen zu lernen, genügt es, wenn ih das von einer der indiſhen Arten mir Bekannte nachſtehend zuſammenzufaſſen verſuche:

Die Kletterlo<hotter, Baumotter, Budru-Pam der Malayen (Primeresurns gramineus, Coluber gramineus, Vipera viridis, Bothrops yiridis, -Trigonocephalus gramineus, erythrurns und viridis, Trimeresurus viridis, elegans, mutabilis, erythrurus und albolabris), eine nur mittelgroße Art der Gruppe, erreiht eine Länge von 71 cm und iſt auf der Oberſeite faftgrün oder grasgrün, ſeitlich etwas lichter, unterſeits grünlichweiß gefärbt. Von der weißen Oberlippe unter dem Auge weg und an der Kopfſeite fortlaufend, zieht ſi< zuweilen eine gleichgefärbte Linie nach den Halsſeiten, und ebenſo bemerkt man gewöhnlih eine aus weißen oder gelben Punkten gebildete Trennungslinie zwiſchen den in 21 Reihen geordneten Nückenſhuppen und den Bauchſcilden. Alte Weibchen tragen, nah Günther, dieſe Abzeichen niht. Das Schwanzende iſt gewöhnlich prachtvoll rot gefärbt. Von ihren zahlreihen Verwandten trennt ſie die Zahl der Schuppenreihen, die kleinen Kielſhuppen des Scheitels, die glatten Shhläſenſ\<uppen und der verhältnismäßig lange Greifſ{hwanz.

Das Verbreitungsgebiet der Baumotter erſtre>t ſih von der Sndiſchen Halbinſel bis nah China. Man kennt ſie von Bengalen an über ganz Hinterindien bis Südchina, von der Malayiſchen Halbinſel und allen tropiſh-indiſchen Fnſeln bis zu den Philippinen, mit Einſhluß der Andamanen und Nikobaren, aber mit Ausſ{<luß von Ceylon. Nah Stoliczkas Beobachtungen lebt ſie in ſehr namhafter Anzahl auf hügeligem Lande in der Nähe Mulmeins und zwar faſt ausſcließlih auf Bäumen. Jhre Färbung ähnelt der des Blattwerkes verſchiedener Bäume in ſo hohem Grade, daß man kaum im ſtande iſt, ſie wahrzunehmen. Stoliczka ſah jüngere Schlangen dieſer Art oft auh auf niederen Pflanzen, und Cantor begegnete ihnen ebenſo dann und wann auf dem Boden. Das Gezweige der Bäume beherrſchen ſie vollſtändig; denn ſie klettern niht allein vorzüglich, ſondern verſtehen ebenſo, möglichſt bequeme Lagen und Stellungen anzunehmen. Der Greifſhwanz wird um einen Aſt oder den Oberteil des Stengels eines Doldengewächſes geſchlungen, um dem Leibe den nötigen Halt zu gewähren, und dieſer ruht dann ent: weder gerade ausgeſtre>t oder in mehrere Windungen gelegt oder auth teilweiſe zuſammengeringelt regungslos auf breiten Blättern oder Äſten und Zweigen, als wäre er ein Teil ‘der Pflanze ſelbſt. Eine derartig ihrer Ruhe ſih hingebende oder ſchlafende Baumotter bekümmert ſi nur dann um die Außenwelt, wenn ihr dies unbedingt notwendig erſcheint. Ohne ſih zu rühren, läßt ſie den Menſchen an ſih herantreten, ohne heftige Bewegungen zu machen, ſih ſogar wegnehmen, und nur dann, wenn man ſie mit dem Stoke drüdt oder einer Zange kneipt, verſucht ſie zu beißen. Einmal erregt aber, bekundet auch ſie den Jähzorn aller Giftſchlangen, reißt, wie E. von Martens hervorhebt, den Rachen ſo weit auf, daß Ober- und Unterkiefer faſt in einer Ebene ſtehen, und bietet dann mit den