Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

502 Zweite Ordnung: Panzerecſen; einzige Familie: Krokodile.

entkommt in den Fluß. Man unterſucht den Boden unter der Lagerſtätte und wird über den Hergang des ſeltſamen Abenteuers bald klar. Jn dem vertro>neten, jezt weit hinab aufgewühlten Shlamme hatte das Krokodil im Sommerſchlafe gelegen und war dur den Lärm von Menſchen und Pferden, vielleiht au< durch den Geruch des Hundes erwe>t worden. Die Hütte lag an einem Teiche und ſtand einen Teil des Jahres unter Waſſer; das Krokodil war alſo ohne Zweifel während der Zeit der Überſchwemmung der Savanne dur dasſelbe Loh hereingekommen, dur< welches es Don Miguel herauskommen ſah. Wir ſehen ſomit, daß in den Llanos Trockenheit und Hite auf Tiere und Gewächſe glei dem Froſte wirken. Manche Kriechtiere, beſonders Krokodile, verlaſſen die Lachen, in welchen ſie beim Austritte der Flüſſe Waſſer gefunden haben, nicht leiht wieder. Je mehr nun dieſe Gewäſſer eintro>nen, um ſo tiefer graben ſie ſi< in den Shlamm ein, der Feuchtigkeit, die bei ihnen Haut und De>en ſ<hmiegſam erhält, nahgehend. Fn dieſem Zuſtande der Ruhe kommt die Erſtarrung über ſie; ſie werden dabei von der äußeren Luft wohl niht gänzlich abgeſperrt, und ſo gering au der Zutritt von Luſt ſein mag, ſo reiht er doch: hin, den Atmungshergang zu unterhalten bei einer Eſe, die zwar ausnehmend große Lungenſäce hat, aber keine Muskelbewegung vornimmt und bei welcher faſt alle Lebensverrichtungen ſto>en.““

Zunge Spitkrokodile ſind liebenswürdige Geſchöpfe und dauern, falls man ihnen die nötige Wärme bietet, Jahrzehnte in der Gefangenſchaft aus.

Uralter Ruhm verherrlicht, uralte Fabeln und Märchen trüben die Geſchichte des befannteſten aller Krokodile, desjenigen, welches im Nil hauſt und ſchon in Herodot und dem Verfaſſer des Buches Hiob Beſchreiber gefunden hat, in dem erſteren einen treuen Berichterſtatter von dem, was er während ſeines Aufenthaltes in Ägypten ſelbſt geſehen und gehört, in dem leßteren einen Dichter, der, troy des Bilderreichtums feiner Sprathe, den „Leviathan“ vortrefflich kennzeihnet.

„Das Weſen des Krokodiles““, ſo ungefähr läßt ſich Herodot vernehmen, „iſt folgendes: Es bewohnt das Land und das Waſſer, legt und brütet die Eier aus auf erſterem und bringt daſelbſt die meiſte Zeit des Tages, die Nacht aber im Fluſſe zu; denn das Waſſer iſt des Nachts wärmer als der heitere Himmel und der Tau. Unter allen Tieren wird es aus dem kleinſten das größte. Die Cier ſind nicht viel größer als die der Gänſe und die Jungen im ſelben Verhältnis, ausgewachſen aber wird es 17 Ellen lang. Es hat vier Füße, Schweinsaugen, große und vorſpringende Zähne, aber keine Zunge; es bewegt auch niht den Unterkiefer, ſondern den oberen gegen den unteren, wie es tein anderes Tier thut. Die Klauen ſind ſtark; die beſhuppte Haut fann auf dem Rücken niht getrennt werden. Jm Waſſer iſt es blind, in der Luft aber ſehr ſharfſichtig. Da es im Waſſer lebt ſo hat es das Maul mit Blutegeln angefüllt. Von allen Vögeln und anderen Tieren wird es geflohen, mit dem Vogel Trochylus aber lebt es im Frieden, weil dieſer ihm nüßlich iſt. Wenn es auf das Land geht und daſelbſt, gegen den Wind gekehrt, mit offenem Maule liegt, dann ſ<lüpft ihm der Trochylus hinein und frißt die Blutegel; da es ſi über dieſe Dienſtleiſtungen freut, ſo verlebt es ihn nicht. Während der vier ſtrengen Wintermonate nimmt es keine Nahrung zu ſih. Jn Ägypten heißt es niht Krokodil, ſondern Champſa; die Fonier aber nennen es Krokodil wegen ſeiner Ähnlichkeit mit den Eidechſen, die ſi< an ihren Gartenmauern aufhalten.“

Andere Schriftſteller des Altertums, namentlich Ariſtoteles, Diodorus Siculus, Seneca, Strabon, Plinius, Plutarch, Maximus Tyrius, Dio Caſſius, Aelian, Flavius Vopiscus, Ammianus Marcellinus, haben ebenfalls über das Nilkrokodil geſchrieben und manches Beachtenswerte mitgeteilt, im allgemeinen aber Herodots kaum