Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

508 Zweite Ordnung: Panzerechſen; einzige Familie: Krokodile.

werde, erhellen dürfte. Einen gewiſſen Grad von Verſtand kann man ihm nicht abſprechen. Es vergißt erlittene Verfolgungen niht und ſucht ſi ihnen ſpäter vorſichtig zu entziehen. Alle Krokodile, die no< in Ägypten leben oder zur Zeit meines Aufenthaltes dort lebten, frohen bei Ankunft eines Schiffes ſtets in das Waſſer, und zwar immer ſo rechtzeitig, daß man ihnen mit Sicherheit niht einmal eine Büchſenkugel zuſenden konnte, wogegen die in den Strömen des Sudan lebenden die Fahrzeuge viel näher an ſi<h herankommen laſſen und von dieſen aus geſchoſſen werden können. Alte Tiere, die ſchon ſeit vielen Fahren dieſelbe Sandbank bewohnen, verlaſſen dieſe, wenn ſie hier wiederholt geſtört wurden, und wählen ſich dann, immer mit gewiſſem Geſchi>k, ein anderes Pläßchen, um auf ihm behagli<h ſ<lafen und ſi< ſonnen zu können, und ebenſo merken ſie ſih die Stellen, die ihnen mehrfach Beute lieferten, beiſpielsweiſe die am Ufer hinabführenden Wege, die von den Herdentieren oder den waſſerſhöpfenden Frauen begangen werden, ſehr genau und lungern. und lauern beſtändig in deren Nähe. Doch unterſcheiden ſie nicht zwiſchen Menſchen, die ihnen gefährlih werden können, und ſolchen, vor welchen ſie ſih niht zu fürchten brauchen, nehmen vielmehr ſtets das Gewiſſe für das Ungewiſſe und ziehen ſih in das Waſſer zurü>, wenn ſie überhaupt Menſchen gewahr werden. Beim Angriffe auf ihre Beute beweiſen ſie entſchiedene Liſt; dieſe kann jedoch mit der Schlauheit eines Säugetieres oder Vogels niht verglichen werden: das Plumpe und Rohgeiſtige, der geringe Verſtand des Tieres macht ſi<h auch hierbei geltend. Fhr Weſen zeigt ſih verſchieden, je nach den Umſtänden. Auf dem Lande iſ das Krokodil erbärmlich feig, im Waſſer vielleicht niht gerade mutig, aber doh dreiſt und unternehmend: es ſcheint ſih der Sicherheit, die ihm ſein heimiſhes Element gewährt, vollkommen bewußt zu ſein und dana ſein Gebaren zu regeln. Mit ſeinesgleichen lebt es in geſelligem Einvernehmen, außer der Paarungszeit mit glei großen in Frieden, während es kleineren der eignen Art gefährlich bleibt; denn wenn ſi der Hunger regt, vergißt es jede Rü>kſicht. Um andere Tiere bekümmert es ſi nur inſofern, als es ſi< darum handelt, eins von ihnen zu ergreifen und zu verſpeiſen; denjenigen, welche es nicht erhaſchen kann, geſtattet es, ſih in ſeiner unmittelbaren Nähe umherzutreiben: daher denn auch die ſcheinbare Freundſchaft zu dem früher von mir geſchilderten Vogel, ſeinem Wächter.

Das Krokodil iſt fähig, einem dumpfen Gebrülle ähnelnde Laute auszuſtoßen, läßt ſeine Stimme aber nur bei größter Aufregung vernehmen. Jh halte es für mögli, daß man es monatelang beobachten kann, ohne einen Laut von ihm zu hören; wird das Tier aber plöglich erſchre>t oder ihm eine Wunde beigebracht, ſo bricht es in dumpfes Gemurr und ſelbſt in lautes Gebrüll aus. Bei einer Reiherjagd am Weißen Nil näherte ih mi vorſichtig einer ſteilen Uferſtelle und ſah anſtatt des erſtrebten Vogels dicht unter mix ein Krokodil, dem ih den für den Reiher beſtimmten Schrotſchuß auf den Schädel jagte. Es erhob ſi< wütend aus dem Waſſer, knurrte laut und verſhwand dann unter den Fluten. Auch eins, das Penney auſſtörte, gab ſeinen Shre> dur Gebrüll zu exfennen. Wenn es erzürnt wird, hört man ein blaſendes oder dumpf ziſchendes Shnauben von ihm. Funge, vor kurzem erſt dem Eie entſchlüpfte Krokodile laſſen einen eigentümlich quakenden, an das behagliche Knarren der Fröſche erinnernden Laut vernehmen.

Gewöhnlich entſteigt das Tier gegen Mittag dem Strome, um ſih zu ſonnen und zu ſchlafen. Leßteres kann im Waſſer aus dem Grunde niht wohl geſchehen, weil es bei niht geregelter oder überwachter Atmung in die Tiefe ſinkt und dann durh Lufthunger bald erwedt werden muß; einem Halbſchlummer aber können auh in der angegebenen Weiſe auf dem Waſſer lagernde Krokodile ſih hingeben: ſo wenigſtens haben meine Gefangenen mich belehrt. Zu ſeinem Mittagsſchläfchen krieht es höchſt langſam und bedächtig auf eine ſeichte Sandbank, ſchaut mit ſeinen meergrünen Augen vorſichtig in die Runde