Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

510 Zweite Ordnung: Panzerechſen; einzige Familie: Krokodile.

I< zweifle niht im geringſten an der buchſtäblichen Wahrheit der Mitteilung Six Samuel Bakers, daß auh Vögel von Finkengröße einem erwachſenen Krokodile zum Opfer fallen, da F. Day in den von ihm unterſuchten Magen des unſerer Art ähnlichen Sumpfkrokodiles nicht allein Fiſchotter-, Vögel-, Schlangen-, auh Giſtſchlangen-, ſondern ſogar, wahrſcheinli< mit dem Mageninhalt ſeiner Beute hineingelangte Waſſerkäferreſte fand. Das Nilkrokodil wird ebenſowenig wie jenes kleine, unbedeutende Beute verſ{<mähen, zieht jedoch ergiebige Biſſen bei weitem vor. P. He ſe fand im Magen eines nur 2,7 m langen Krokodiles neben einigen ſtark abgeriebenen grünen Flaſchenſcherben die Reſte von etwa 40 Ratten. Seine Jagd gilt ſelbſt großen Säugetieren: es reißt Eſel, Pferde, Rinder und Kamele in die Tiefe des Stromes hinab. An beiden Hauptadern des Nils verlieren die Hirten regelmäßig mehrere ihrer Schußbefohlenen im Laufe des Fahres; am Blauen Nil ſahen wix ein geköpftes Rind liegen, deſſen Eigentümer uns jammernd erzählte, daß vor wenigen Minuten ein „Sohn, Enkel und Urenkel des von Allah Verfluchten“ das trinkende Tier erfaßt und ihm den Kopf abgebiſſen habe. Wie das Raubtier mit ſeinen ſpröden, gleich Glas abſpringenden Zähnen ſolches zu thun im ſtande wax, vermag i noh heute nicht zu begreifen, weil ih mir ungeachtet der furhtbaren Bewaffnung des Rachens eine ſo gewaltige Kraftäußerung kaum erklären fann. Daß es wirkli<h au< Kamele überwältigt, davon habe ih mic ſpäter überzeugen können: einem am Weißen Nil, Chartum gegenüber, zur Tränke gehenden Kamele wurde während meiner Anweſenheit in der Stadt ein Bein abgebiſſen, und gelegentlih meiner Reiſe auf dem Fluſſe ſah ih, daß die Hirten im Oſtſudan beim Tränken ihrer Kamele ſtets die Vorſicht gebrauchten, ſie unter großem Geſchrei und ganze Herden auf einmal in den Strom zu treiben, um die Krokodile dur den Lärm und das Getümmel zu verſcheuchen. Kleinere Herdentiere, Rinder, Pferde, Eſel, Schaſe und Ziegen tränkt man da, wo gefährliche Krokodile hauſen, niemals im Strome, ſondern in den daneben aufgedämmten Be>ken und Teichen, welche die Hirten erſt mühſelig mit Waſſer füllen müſſen, oder bildet aus dichten Dornenhe>en im Fluſſe einen gegen deſſen Mitte abgeſchloſſenen, vor den gefürchteten Räubern geſicherten Tränkplaß.

Gefährlicher als dur< den Schaden, den es an den Herden anrichtet, wird das Krofodil dur< ſeinen Menſchenraub. Jm ganzen Sudan ereignen ſi alljährli<h Unglü>sfälle, und wenn die Reiſenden nicht viel davon zu erzählen wiſſen, ſo erklärt ſich dies dadurch, weil ſie ſi< niht beſonders danach erkundigen. Dem Fremden, der fragt, wiſſen die alten Leute zu erzählen, daß das Krokodil den und den, Sohn des und des, Nachfommen von dem und dem, außer ihm aber noch verſchiedene Pferde, Kamele, Maultiere, Eſel, Hunde, Schafe, Ziegen in die trüben Fluten hinabgezogen und gefreſſen oder ihnen wenigſtens ein Glied abgebiſſen habe. Die meiſten Menſchenopfer werden dem Krokodile,

wenn die Eingeborenen in den Fluß waten, um Waſſer zu ſ{<öpfen. Selbſt an den Waſſerpläßen großer Ortſchaften und Städte treiben ſich die gefährlichen Raubtiere umher: während meines Aufenthaltes in Chartum wurde ein Knabe wenige Schritt vom Hauſe ſeiner Eltern geraubt, ertränkt, nah der mitten im Strome liegenden Sandbank geſchleppt und hier vor den Augen meiner Diener verſchlungen. Die Furcht der Sudaneſen iſt leider vollfommen gere<tfertigt. Nah Pechuel-Loeſche kommen an der Loangoküſte drei Arten von Krokodilen, Panzer-, Nil- und Stumpfkrokodil, vor und find ſehr häufig; aber von Unglüdsfällen hört man ſehr ſelten. Anders am unteren Kongo, wo nach den Erfahrungen von O. Lindner nächſt den europäiſchen Faktoreien jährlih etwa 4 Menſchen geraubt werden. P. Heſſe berihtet, daß ihm vom Kongo und von der Loangoküſte in der Zeit von $ Jahren etwa ein halbes Dußend ſolcher Fälle bekannt geworden ſeien; jedenfalls ſei aber die Anzahl der Opfer erheblich größer, da man die meiſten Vorkommniſſe dieſer Art nur dur Zufall erfahre. „Freilih ließen ſi{<“, fährt ev fort, „dieſe Unfälle oft