Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Nilkrokodil: Beutetiere. Menſchenraub. Furcht vor Angriffen. STL

vermeiden, wenn die Neger nicht ſo außerordentlich ſorglos und unvorſichtig wären. Daß Krokodile auh Menſchen in Kanoes anfallen, iſt beſtimmt erwieſen, gehört aber immerhin zu den Seltenheiten.“ Einen ſolchen Fall kann Pechuel-Loeſche, der mit dem Miſſionar Comber Augenzeuge war, verbürgen. Er ereignete ſih um die Mittagszeit bei der belgiſhen Station Manyanga am Kongo. Ein Häuptling angelte von einem ſehr kleinen, bis zum Bordrande im Waſſer liegenden Einbaume aus, in welchem er ſi allein befand, na< Fiſchen, und zwar an einer dur Klippen geſhüßten, aber tiefen Stelle des Stromes. Da wurde er plößlih, ohne Lärm und ſo ſ{nell, daß er nicht einmal einen Schrei ausſtoßen konnte, von einem Krokodile, deſſen Kopf bloß auf einen Augenbli> ſihtbar wurde ins Waſſer gezogen; nur das glei darauf folgende Umſchlagen des Kahnes verurſachte auffälliges Geräuſh. Der Vorfall vollzog ſi ſo unheimlich ſ{<hnell, daß niht wahrgenommen werden konnte, wie und wo das Tier den Menſchen pate.

Alle flügeren Tiere kennen das Krokodil und ſeine Angriffsweiſe. Wenn die Nomaden der Steppe mit ihren Herden und Hunden an den Fluß kommen, haben ſie mit den leßteren oft große Not, verlieren auh regelmäßig einige der trefflichen Tiere, weil dieſe noh feine Erfahrung geſammelt haben. Hunde dagegen, die in den Dörſern am Strome groß geworden ſind, fallen den Krokodilen ſelten zum Opfer. Sie nähern ſi, wenn ſie trinken wollen, ſtets mit äußerſter Vorſicht dem Waſſerſpiegel, beobachten dieſen genau, trinken einige Tropfen, kehren eilig zum Uferrande zurü>, bleiben hier längere Zeit ſtehen, ſehen ſtarr auf das Waſſer hinab nahen ſi wiederum unter Beobachtung derſelben Vorſichtsmaßregeln, trinken no<mals und fahren ſo fort, bis ſie ihren Durſt geſtillt haben. Jhr Haß gegen das Krokodil offenbart ſi<, wenn man ihnen eine größere Eidechſe zeigt: ſie weihen vor einer ſol<hen zurü> wie Affen vor einer Schlange und bellen wütend.

Nächſt den lebenden frißt das Krokodil alle toten Tiere, die den Fluß hinabſhwimmen. Jh bin mehrere Male wertvoller Vögel, die na< dem Schuſſe in den Strom ſtürzten, beraubt und dann jedeëmal von neuem an den Racheſhwur erinnert worden, den ich gelegentlih eines Zuſammentreffens mit ihm, das unheilvoll für mich hätte werden können, geleiſtet und, ſoviel in meinen Kräften ſtand, auch gehalten habe. Jede von meiner Hand abgeſendete Büchſenkugel die während meiner zweiten Reiſe im Sudan eins dieſer Ungetüme durchbohrt hat, war nur ein Werkzeug meiner Rache. Chartum gegenüber hatte ih mein Zelt aufgeſchlagen, einige Tage lang gejagt und einmal gegen Abend einen Seeadler angeſchoſſen, der noh bis zum Strome flatterte und hier auf das Waſſer fiel. Der mir damals wertvoll erſcheinende Vogel trieb mit den Wellen diht am Ufer hin und näherte ſih einer nah der Mitte ſi< wendenden Strömung, die ihn mir entführt haben würde. Da erſchien ein Araber, und ih bat ihn, den Vogel für mich zu fiſchen. „Bewahre mich der Himmel, Herr“ antwortete er mir, „hier gehe ih nict in das Waſſer, denn hier wimmelt es von Krokodilen. Erſt vor wenig Wochen haben ſie zwei Schafe beim Tränken erfaßt und in die Wellen geriſſen; einem Kamele biſſen ſie ein Bein ab; ein Pferd entrann ihnen mit genauer Not.“ F< verſprah dem Manne reiche Belohnung, ſchalt ihn Feigling und forderte ihn auf, ſi< als Mann zu zeigen. Er erwiderte ruhig, daß er, wenn i< ihm „alle Schäße der Welt“ geben könne, dieſe niht verdienen wolle. Unwillig entkleidete ih mi< ſelbſt, ſprang in den Strom und mwatete und ſ{hwamm auf meinen Vogel zu. Laut auf ſchrie der Araber: „Herr, um der Gnade und Barmherzigkeit Allahs willen, kehre um, ein Krokodil! ‘ Erſchro>en eilte ih nah dem Ufer zurü>. Von der anderen Seite des Stromes her kam ein rieſiges Krokodil, die Panzerhö>ker über der Oberfläche des Waſſers zeigend; \{<nurgerade {hwamm es auf meinen Vogel zu, tauchte dicht vor ihm in die DUeſe, öffnete den Rachen, der mir groß genug erſchien, auh meinerſeits darin Plat zu finden, nahm mir die Beute vor den Augen weg und verſchwand mit ihr in den trüben Fluten.