Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Nilkrokodil: Gebaren auf dem Lande. Scheuheit. Ruhe in der Trockenzeit. 513

j0 daß manche Stellungen durchaus unnatürlih berühren. Mancher ehrwürdige Saurier, der, etwas auf die Seite gewälzt, alle viere behaglich von ſich geſtre>t oder untergeſchlagen, ſeinen Shwanz ſ{leifenförmig nah dem Leibe vorgebogen und derartig gewiſſermaßen zuſammengerollt ſi< wohlig von der Sonne beſcheinen läßt, entſpricht gar niht mehr den landläufigen Vorſtellungen vom Ausſehen eines Krokodiles, um ſo weniger, als er in der Regel einen Leibesumfang beſißt, von welchem bei den mageren Schauſtüken in unſeren zoologiſhen Gärten kaum eine Andeutung vorhanden iſt.

„Alle Krokodile ſind außerordentlih heu und wachſam. Sie hören ſehr fein und ſehen ſehr ſcharf; ihr Geru<hsſinn muß aber re<t ſtumpf ſein. Es iſt unter allen Umſtän den ein Kunſtſtü>, ſie zu beſhleihen; der Zufall ſpielt eine weit erfolgreichere Nolle als alle Bemühungen. Auf Sandbänken iſt gar nicht anzukommen, und auf höheren, bewahſenen Uferſtre>en ſieht man ſie vom Kahne aus nict eher, als bis ſie in das Waſſer ſchießen, was mit einem ſ<önen Kopſſprunge geſchieht. Manchmal wenn man ruhig mit dem Strome dicht am hohen Ufer entlang treibt, ſpringt ein Krokodil fo nahe am Fahrzeuge in die Tiefe, daß ein Unerfahrener glauben könnte, es habe angreifen wollen. Jh halte és nicht für unmöglich, ‘daß dabei ein Nachen zufällig getroffen und umgeſtürzt oder zertrümmert werden kann; aber an einen Angriff denkt das ſelber aufs höchſte erſhro>ene Tier niht im geringſten. Andere überraſchte wagen den Sprung nicht mehr, ſondern drü>en ſi<h und laſſen die Gefahr vorüber, ehe ſie in das Waſſer gehen, oder flüchten auch haſtig landeinwärts. Wer an einem ſtillen, ſonnigen Mittage recht leiſe auf dem ſ{<malen, vielgewundenen Nanga, einem Seitengewäſſer des Kuilus, entlang fährt, kann in ein paar Stunden allein ſ<on mehrere Dugzend großer Krokodile (die kleineren zählt man gar niht mehr) von den hohen Uferleiſten mit ſhönem Kopfſprunge faſt geräuſchlos in die Tiefe ſchießen ſehen.“

Wahrſcheinlich unternimmt das Krokodil Ausflüge über Land nur des Nachts, vielleicht in der Abſicht, ein anderes Gewäſſer aufzuſuchen. Um zu jagen, verläßt es, wie bemerk1/ den Fluß gewiß niht; wenigſtens habe ich nie das Gegenteil beobachtet oder davon gehört. Während der Regenzeit folgt es den Regenſtrömen, die bald darauf verſiegen, und geht in ihnen zuweilen ſo weit, daß es infolge der raſh eintretenden Dürre von ſeinem Hauptſtrome abgeſchnitten und genötigt wird, ſi ſo gut wie möglich zu verbergen und die nächſten Regen abzuwarten. Anfänglich wandert es von einer Lache zur anderen; ſpäter hält es ſih wochenlang in derjenigen auf, welche noh etwas Waſſer hat, gleichviel, ob ſie zu ſeiner Größe im Einklange ſteht oder nicht, ſo daß man zuweilen in einer unbedeutenden ſeichten Pfübße wahre Nieſen bemerkt; endlih, wenn auch hier das Waſſer vertro>net, gräbt es ſih in den Schlamm ein. Penney überſchritt mit ſeinen Leuten einen Regenſtrom, deſſen Mündung noh etwa 20 km vom Blauen Nil entfernt war. Wegen Waſſermangels wurde in dem jezt tro>enen Bette des Negenſtromes ein Schacht ausgetieft, der das notwendige Waſſer zu liefern verſprah. Als die Arbeiter etwa 2,5 m tief gegraben hatten, ſprangen ſie entſeßt aus der Tiefe empor und riefen den alles wiſſenden Oberjtabsarzt zu Hilſe, weil ſi< in der Grube ein „graues Ding“ hin und her bewege. Die genauere Unterſuchung ergab, daß man es mit der Schwanzſpibe eines lebenden, ſehr großen Krokodiles zu thun habe. Ein zweiter Schacht, den man in der Kopfgegend eingrub, ermöglichte es, dem Ungeheuer mit einer Lanze den Genickfang zu geben. Nunmehr grub man es vollends aus und fand daß es 5 m maß. Der Regenſtrom heißt infolge dieſer Begebenheit noh heutigestags Chor el Timſach““ oder Krokodilregenſtrom. Auch Emin Paſcha und F. Stuhlmann haben neuerdings beſtätigt, daß die Krokodile des Jnneren von Dſtafrifka, im Schlamme eingetro>net, einen Sommerſchlaf abhalten.

Krokodile von 3,5 m Länge ſind bereits fortpflanzungsfähig; Weibchen dieſer Größe legen aber weniger und fleinere Eier als die vollkommen ausgewachſenen. Während der

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